Erst gewählt, dann gewatscht

Joachim Zeller setzt sich knapp als CDU-Landesvorsitzender gegen Peter Kurth durch. Sein designierter Generalsekretär aber fällt zweimal durch. Bundeschefin Merkel zeigt sich not amused

von STEFAN ALBERTI

Geschlossenheit zeigen. Geschlossen sein. Der Gedanke an eine Strichliste kommt zu spät. So bleibt die Schätzung, wie oft die Berliner CDU auf ihrem Parteitag gebetsmühlenartig einen Zustand beschwört, von dem sie nie weiter entfernt war. Zwei Dutzend Mal bestimmt. Allen voran bei Joachim Zeller, ihrem neuen Landeschef: Innere Ruhe und, natürlich, Geschlossenheit biete er, „das, was die Union derzeit am nötigsten braucht“. Damit scheitert er schon eineinhalb Stunden nach seiner Wahl. Beim ersten Machttest fällt sein designierter Generalsekretär, der viel kritisierte Rechtsausleger Kai Wegner, zweimal durch.

Mit 166 zu 149 Stimmen hat sich Zeller zuvor an diesem Samstag im Hotel Maritim gegen Peter Kurth durchgesetzt. Er ist der erste Ossi an der Spitze, und kurzzeitig scheint es, er könnte auch der Chef mit der kürzesten Amtszeit werden. Intern droht er durch die Blume mit Rücktritt. Wenn Wegner nicht gewählt werde, „habe auch ich keine Lust mehr“, sagt er nach Aussage zweier Kreischefs. „Ich habe nur gesagt, dass meine Geduld nicht unendlich ist“, sagt Zeller der taz. Alles andere sei Interpretation.

Der Marzahner Kreischef Mario Czaja widerspricht: Allen sei klar gewesen, dass das eine Rücktrittsdrohung war. Zeller macht sie nicht wahr, verzichtet auch auf ein ausgefallenes Angebot für den Generalposten: „Achim, kannst mich vorschlagen!“, ruft ihm am Saaleingang die Gattin von Exfraktionschef Steffel zu.

Vorangegangen sind Stunden, wie sie die CDU nicht kannte. Buhs, Störrufe, Auszeiten. „Dagegen sind wir ja regelrecht diszipliniert“, meint am Rande Kirsten Böttner, Landesgeschäftsführerin der tumulterprobten Grünen. 39 Jahre sei er in der Union, sagt Gerhard Lawrentz, der schließlich als Kompromisskandidat zum Generalsekretär gewählt wird, was er schon von 1996 bis 99 war, „ich habe noch nie erlebt, dass wir uns in solcher Verbitterung gegenüberstehen.“

Aufgegangen war zunächst Zellers Strategie, ganz auf das Lager des vor zwei Wochen zurückgetretenen Fraktionschefs Frank Steffel zu setzen. „Ein ganz persönliches Bekenntnis zu einer in zwei Jahren gewachsenen Freundschaft“ zu ihm legt er ab. Von bürgernaher Kommunalpolitik spricht er, davon, dass „dieser nichtelitäre Ansatz uns zur Berlin-Partei gemacht hat“. Von Hilfe von außen für die verschuldete Stadt mag er nichts wissen: „Berlin schafft es nur allein.“

„Nichtelitär“, dass zielt auf seinen Gegenkandidaten Peter Kurth, der sich eine großstädtischere Union wünscht. Doch der kontert geschickt, nennt es eine Stärke der Union, dass sie als Kiezpartei wahrgenommen wird. Und fügt dann hinzu: „Ich glaube aber, dass das nicht ausreicht.“ Wo Zeller rät, mal mit der U-Bahn statt mit der Limousine zu fahren, um sich die Stadt anzugucken, will Kurth die Union als treibende Kraft der Fusion mit Brandenburg profilieren.

Als das Ergebnis kommt, schüttelt Kurth leicht den Kopf, gratuliert dann Zeller lächelnd zum Sieg. Er sei „etwas enttäuscht“, sagt er später. Abgeordneter will er bleiben, sich sonst auf seinen Vorstandsjob beim Entsorger Alba konzentrieren.

Wie schon vor einer Woche, als Kurth auch beim CDU-Fraktionsvorsitz knapp unterlag, finden seine Freunde drastischere Worte. „Das Ergebnis ist traurig, hier wurde wieder eine Chance vergeben“, sagt die als Vizechefin wiedergewählte Monika Grütters. Kurths Lager kann im Vorstand neben ihr den Unternehmer und früheren brandenburgischen CDU-Generalsekretär Thomas Klein durchsetzen, zudem die Exausländerbeauftrage Barbara John. Bundespolitiker fehlen in der Parteispitze, Bundestagsmitglied Günter Nooke geht gegen einen Bezirksmann unter.

Die Bundesvorsitzende, die auf einen Sprung vorbeischaut, ist hörbar not amused. In knappen Worten gratuliert Angela Merkel Zeller zur Wahl, dankt dann sofort Kurth für die Kandidatur. Die tiefen Risse lässt sie nicht unkommentiert. Über Zellers Aufgabe spricht sie wie von der Fusion zweier Parteien, wünscht ihm eine „glückliche Hand bei der Zusammenführung dieses Landesverbands“.

Im Foyer und am Saalrand, wo viele Gesichter an diesem Tag immer länger werden, ist mehrfach zu hören, schlimmer könne es gar nicht kommen. Oder doch? „Irgendwann“, sagt einer, „setzt uns die Bundesebene einen Staatskommissar vor.“