: Erfolg auf der Überholspur
Korken knallen, Motoren jaulen, Reifen quietschen: 100 Jahre ADAC. Eine Gratulation
Ein 30 Kilometer langer Stau auf der A2 Richtung Berlin, 85 Kilometer stockender Verkehr zwischen Nürnberg und Dresden, zahllose Auffahrunfälle: Das waren die Highlights der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des ADAC am Wochenende. Gewohnt vorbildlich geplant und diszipliniert umgesetzt, war das Jubiläum des „Garanten für Mobilität“ exemplarisch für seine gesamtgesellschaftliche Bedeutung: eine Erfolgsstory. Sie wird fortgeschrieben: Nächster Schritt ist die Forderung nach einem behutsamen achtspurigen Ausbau des Fernstraßennetzes.
Wie hoch der ADAC in der Meinung der Bevölkerung angesiedelt, wie tief er im Bewusstsein verankert ist, hatte unlängst „Perspektive Deutschland“ mit der größten Online-Umfrage in der Geschichte gezeigt. Der ADAC erreichte Werte, die andere „neid- und leidvoll“ betrachten: „76 Prozent halten den ADAC für kompetent, ebenfalls 76 Prozent halten ihn für serviceorientiert. 68 Prozent bescheinigen dem ADAC eine gute Aufgabenerfüllung.“ Kurz: Mehr Vertrauen bringen die Deutschen keiner anderen Organisation entgegen.
Kein Wunder, dass im Land der extensiv bewirtschafteten Mobilität und des darnieder liegenden Immobilienhandels der „Mobilitätsdienstleister Nr. 1“ einen so fantastischen Ruf hat.
Aber der Weg war weit, anfangs einspurig und noch kaum asphaltiert. Werfen wir einen Blick zurück: Es mag ein symbolträchtiger Zufall sein, dass eine Woche nach Gründung des ADAC erstmals ein Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft stattfand. Die Deutsche Motorradfahrer-Vereinigung, wie die Vorläuferorganisation des ADAC hieß, spielte nicht mit, aber retrospektiv steht fest: Deutschland hatte mit dem Auto und dem Fußball seine maßgeblichen Interessengebiete gefunden und institutionalisiert. Gewiss, was später der ADAC wurde, trug vorerst einen irreführenden Namen, zudem litt die Erledigung der dringendsten Aufgaben unter dem mangelhaften Stand der Technik. In der Aufbauphase der Straßenwacht beispielsweise benötigte man Planwagen, die fuderweise Hafer, Zaumzeug und Ersatzhufeisen geladen hatten. Aber der Kurs stimmte.
Ein dunkler Punkt in der Chronik des ADAC sei jedoch auch in der Stunde des Jubels nicht verschwiegen. Während der Nazi-Zeit gleichgeschaltet, gelang es dem ADAC nicht, maßgeblichen Einfluss auf das an Inkompetenz nicht zu überbietende NS-Kraftfahrerkorps zu nehmen. Zwar galt die im April 1933 eingeführte Steuerbefreiung beim Neuwagenkauf, durch die die Motorisierung (leider auch unter militärpolitischen Gesichtspunkten) Schwung bekam, als Wegweiser in die richtige Richtung; ebenso das Format des Autobahnbaus und das Projekt „Volkswagen“, aber spätestens Stalingrad bewies dem Fachmann, dass beim Nachschub nicht nur die Pannenhilfe denkbar unsachgemäß organisiert war.
Nach dem Krieg wieder selbstständig, stiegen die Mitgliederzahlen des ADAC kontinuierlich an. Zu den Glanztaten der folgenden Jahrzehnte zählt die Markteinführung der Avantgarde-Band Kraftwerk mit ihrem Welthit „Autobahn“. Alle Erwartungen übertraf außerdem die Initiative „Staumelder“, die den Verkehrsservice zur identitätsstiftenden, endlich zuverlässigen Hauptaufgabe der Radiosender machte. Wenig später folgte die Radarfallen-Warnung, damit das Gaspedal in Frieden und Freiheit nur auf unkontrollierten Abschnitten durchgetreten wird.
Raffiniert der jüngste Coup des ADAC, um das neue Tarifsystem der Deutschen Bahn zu einem Fiasko werden zu lassen. Entscheidende Positionen im Planungsstab besetzten Elitekräfte des ADAC-Thinktanks, denen es mit akribischer Präzision gelang, die granatendumme Preisgestaltung bei der Bahn AG durchzudrücken.
Der triumphale Erfolg dieser Maßnahme gilt als Maßstab für eine tiefer greifende Umstrukturierung des Standorts Deutschland: Wer wenn nicht die vertrauenswürdigsten Institutionen der Republik soll den Dauerstau auflösen, der ein ganzes Land zu miesepetriger Depression zwingt? Deshalb tagt an einem geheimen Ort in der Raststätte Allertal seit Monaten eine Kommission, die eine Koalition jenseits der politischen Parteien schmiedet, um Deutschland endlich mit einem kollektiven Anti-Blockier-System kreuzungsfrei auszustatten und ganz unbürokratisch auf die Überholspur zurückzuführen.
Wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind, wird eine Übergangsregierung aus ADAC, DFB, dem Bund der Steuerzahler und der Stiftung Warentest gebildet. Dass Franz Beckenbauer und Sabine Christiansen paritätisch die Kanzlerschaft übernehmen, ist allerdings noch reine Spekulation. Aber viel mehr könnte man nicht verlangen.
DIETRICH ZUR NEDDEN