: Durch die Wälder, durch die Höh‘n
taz-Serie „Polen in einem Tag“ (Teil 4): Reiten in Polen ist billig. In Dolsko haben ein deutscher Informatiker und ein polnischer Military-Reiter einen Hof. Gäste sind Deutsche
Oskar ist toll. Er ist aufmerksam, fleißig und umsichtig, wie er so vorsichtig durch Gräben stakt, Anhöhen erklimmt und sich im Galopp streckt. Oskar ist ein Rappe und eines von acht Pferden auf dem Reiterhof Dolsko.
Das Dorf Dolsko liegt 100 Kilometer nordöstlich von Berlin hinter der polnischen Grenze. Die Gegend ist hügelig, voller Wälder und Seen, ein Terrain, wie geschaffen, um auf Schusters und anderen Rappen durchmessen zu werden. Der urbane Mittelpunkt ist Moryn, ein Städtchen wie aus dem Mittelalter. Hinter der Stadtmauer aus Feldsteinen lugt der Kirchturm hervor. Auf Touristen ist man hier am Wochenende nicht eingestellt, die Information hat nur von Montag bis Freitag geöffnet. Dafür läuft das Geschäft mit den Reitbegeisterten außerhalb der Öffnungszeiten offenbar gut. Ein erstes Indiz ist ein Schild, das gleich nach dem Grenzübertritt in Hohenwutzen am „Oder Center Berlin“ wirbt: „Alles für’s Pferd“. Um Moryn gibt es mehrere Reiterhöfe und ein Gestüt.
Die jüngste Neugründung ist der Hof in Dolsko. Das Haus ist noch unverputzt, auf dem Reitplatz liegt der Sand gelb und sauber. Der frisch gezimmerte Stall steht etwas verloren auf der Krume. Das Gras muss noch wachsen. Handwerker setzen gerade einen Zaun. Vor dem Hoftor steht ein Mann mit braunem Haar und der Statur eine Jockeys. Er streckt die Hand aus: „Ich bin Sbyszek.“ Mit seiner Frau Grazyna Michalska betreibt er seit Februar den Hof. Sie kocht für die Gäste, putzt die Zimmer und versorgt die beiden Kinder. Er kümmert sich um die Pferde, gibt Unterricht und macht Ausritte.
Für einen kompletten Tag mit Ausritten, drei Mahlzeiten und Übernachtung nehmen sie 30 Euro. Für polnische Normalverdiener ist das ein Zehntel des Monatslohnes, aber aus deutscher Sicht ein Schnäppchen. „In Deutschland ist Reiten einfach zu teuer“, sagt Maja Tesmer. Sie verbringt schon seit Jahren ihre Reiterwochenenden in Polen. Die Stammgäste auf den Reiterhöfen in Grenznähe seien fast alles Deutsche, stellt die Berlinerin fest. Sie und ihr Freund sind zusammen mit Bernhard Groth im Auto mitgefahren.
Groth ist selbstständiger Informatiker, der seine Ersparnisse in den Dolskoer Hof gesteckt hat. „Wir sind eine deutsch-polnische GmbH – Sbyszek und ich.“ Das Land ist auf Sbyszeks Namen eingetragen und mit Groths Geld bezahlt. Der gewichtige Mann hat sein Pferd hier untergestellt. Das Reiten hat er noch zu DDR-Zeiten in der Reittouristik in Dresden gelernt. Nach der Wende arbeitete er fünf Jahre im russischen Donezk, jetzt ist sein Zuhause in Hellersdorf.
Im Jahr 1999 fuhr Groth mit einem Freund zum ersten Mal nach Polen zum Reiten. „Dann bin ich einfach hängen geblieben.“ Der Chef-Reitlehrer auf dem Reiterhof war Sbyszek. Groth nennt ihn Speedy. „Er ist das Pfund, mit dem wir wuchern können“, sagt er stolz.
Der 34-jährige Sbyszek ist mit Pferden aufgewachsen. Neben der Schule hat er auf dem Beliner Gestüt gearbeitet und trainiert. 1986 war er polnischer Vize-Meister im Military. „Nach 1990 wurde der Sport zu teuer, ich musste mich woanders amüsieren“, erzählt er verschmitzt lächelnd. Also wurde er Reitlehrer und trainiert nebenbei Kinder für Turniere. Gerne würde er selbst wieder bei Wettkämpfen reiten: „Ich bin noch nicht so alt. Vielleicht, wenn der Hof irgendwann von allein läuft.“ Aber momentan habe er zu viel zu tun und keine Zeit, um Tag für Tag zu trainieren. Er muss sich um die Geschäfte und die acht Pferde kümmern. Die Ställe werden täglich ausgemistet und die Pferde gefüttert, auf die Koppel getrieben und geritten. Sein jüngster Bruder hilft ihm dabei. Die Pferde tragen Sbyszeks Handschrift, sie gehen, ruhig sind geduldig und feinfühlig. Feine Pferdchen. In einer Reihe traben sie hinter Sbyszeks Schimmel her durch den Wald. Der dreht sich im Sattel um und fragt: „Alles Ordnung?“ Ja, alles in Ordnung.
ANNA LEHMANN
Anreise über die B 158, Grenzübergang Hohenwutzen, der Hof liegt 15 km hinter der Grenze. Informationen unter: home.arcor.de/reithof-dolsko. Nächste Woche: Stettin vom Wasser