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Archiv-Artikel

der peinliche prinz und die pensionäre von RALF SOTSCHECK

Wenn es bloß die blöden Untertanen nicht gäbe. Wie schön könnte das Leben für den ewigen Thronfolger sein. Prinz Charles sei genauso geldgierig wie großohrig, nörgeln seine Kritiker, wofür sie in der guten alten Zeit mindestens einen Kopf kürzer gemacht worden wären. Die Leute lästern über Poundbury, eine künstliche Kleinstadt, die auf Charles’ Ländereien im Südwesten Englands erbaut und mit handverlesenen Einwohnern bestückt wurde. Dieses Modell würde Charles am liebsten auf ganz Großbritannien übertragen.

Das prinzliche Oberschichtghetto mit seinen georgianischen Fassadennachbildungen grenzt an eine Sozialbausiedlung, die Poundbury hieß, bis Charles den Namen 1984 einfach klaute und seine Modellstadt mit gußeisernen Pfählen von den armen Nachbarn abgrenzte. Nun wollen die Bewohner der Siedlung ihren Namen zurück, aber der Prinz rückt ihn nicht mehr heraus. „Wir haben ihn darum gebeten“, sagte einer, der seit 44 Jahren dort wohnt, „aber was soll man machen, wenn das Königshaus nicht will?“ Dabei passt der Ortsname ohnehin viel besser zur Modellstadt und ihren Einwohnern, denen die Pfundnoten aus den Taschen quellen.

Die Hauspreise in Poundbury beginnen bei 215.000 Pfund. Das ist das Neunfache des durchschnittlichen Jahreseinkommens in dieser Gegend Englands. Charles schwebte eine Stadt der sozialen Integration vor, deshalb hat er allein erziehenden Müttern und Arbeiterfamilien verbilligte Unterkünfte angeboten. Die waren aber überhaupt nicht erpicht darauf, zu den reichen Mitbürgern zu ziehen, zumal es keine öffentlichen Transportmittel gibt. Wozu auch? Die pensionierten Geldsäcke, die die Mehrheit der Poundburianer stellen, fahren mit dem Mercedes zum Shoppen. Schwarze und Asiaten hat Charles vorsichtshalber nicht in seine Modellstadt eingeladen. Die könnten ja die Hauspreise verderben und den Thronfolger an den Bettelstab bringen.

Dabei will er sich doch nur einen Notgroschen auf die hohe Kante legen, falls es mit dem Thron nichts werden sollte. Manche Politiker diskutieren ungeniert darüber, dass man die Monarchie gemeinsam mit Elisabeth II. begraben sollte, andere wollen den peinlichen Prinzen am liebsten zugunsten seines Sohnes William überspringen. Premierminister Tony Blair hat voriges Jahr bereits mit der Demontage des Königshauses begonnen, als er den Posten des Lord Chancellor abschaffte, der mehrere Jahrhunderte älter ist als der des Premierministers. Theoretisch ist der Lord Chancellor der höchste Minister der Queen, doch die ist gar nicht erst gefragt worden, was sie nicht sonderlich amüsierte.

Die Etikette ist ohnehin nicht mehr das, was sie mal war. Kinogänger stehen vor der Vorstellung nicht mehr auf und bitten Gott, die Queen zu retten; bei Festbanketten trinkt man nicht mehr auf ihr Wohl; und auf Briefmarken ist ihre Silhouette so winzig in der Ecke abgebildet, dass man sie für Fliegendreck halten könnte. Nur Charles weiß noch, was sich gehört. Zum goldenen Thronjubiläum begann er seine Rede mit den Worten: „Eure Majestät, liebe Mammi.“ Die wollte aber lieber gar nicht an diese unangenehme Verwandtschaft erinnert werden.