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Ausstellung im Jenisch Haus entdeckt vergessenen Gartenarchitekten neuLandschaft gestalten statt verwalten: Joseph Ramées Erholungsareale

Zwei Mädchen sitzen auf der Wiese und essen Nutella-Brötchen, aus einer Lücke in den Baumreihen lugen die Container und Kräne von Waltershof, das Hämmern des Hafens tönt von Ferne. Dies war sicherlich nicht die Kulisse, die Georg Heinrich Sieveking vorschwebte, als er um 1796 dem französischen Architekten Joseph Ramée den Auftrag zur Gestaltung eines Landschaftsparks erteilte. Für den Theoretiker Christian Cay Laurenz Hirschfeld galt der Park als Ort, wo der tüchtige Kaufmann „an ruhigen Tagen sich erholen, freyer athmen, sich selbst und seine Familie genießen konnte“.

Heute ist der Sieveking Park Teil des Donners Parks am Elbufer südlich von Ottensen. Eine Ausstellung im Jenisch Haus lädt zur Entdeckung jenes Architekten ein, der große Teile des Elbufers zwischen Nienstedten und Blankenese prägte. Seit seinem Tod ist Joseph Ramée (1764–1842) in Vergessenheit geraten. Seine Spuren sind verwischt, und erst 1996 kam sein Schaffen mit einer Monographie von Paul V. Turner wieder ans Licht. Hamburg trifft es dabei nicht zufällig. Der in den Ardennen geborene Franzose lernte in Paris, kam über Belgien nach Thüringen, doch in der Hansestadt lebte der Globetrotter die längste Zeit (1796–1810 und 1830–36), hier treffen sich frühe und späte Lebensphase.

Für den Sieveking Park, seinen ersten Großauftrag in Hamburg, ließ Joseph Ramée tonnenweise Erde bewegen, um aus der scharfen Abbruchkante an der Elbe eine geschmeidige Wiese zu formen. Weite, von einem einzigen Pfad durchwunden, Fernblick von einem antikisierten Tempel aus, Serpentinen, exponierte Bäume: Ramées Pläne waren nicht ohne Rousseau‘sche Ideale. Später legte er Blumenbeete an, zog das Wegenetz dichter. Der Reiz ging hier von kleinen Elementen aus, das große Natur-Gesamtbild ging verloren.

Die unterschiedliche Wirkung lässt sich heute in den benachbarten (und über die Jahre umgestalteten) Parks für Sieveking und Salomon Heine an der Elbchaussee beobachten. Die Konzentration der Ausstellung auf Hamburg und Umgebung fördert die lebhafte Wiederentdeckung Ramées. Von Baurs Park (Foto) gibt es Entwürfe, Ansichten in Öl von Ludwig Philipp Strack und ein topographisches Profil zu sehen. Ramées Hauptwerk aus Thüringer Zeit, ein Landhaus mit Garten für Herzog Ernst II. von Gotha, das nicht verwirklicht wurde, bilden fünf farbige Blätter ab. Anderen Arbeiten – etwa der den typischen Uni-Campus in Amerika prägende Entwurf zum Union College in Schenectady – wird in teilweise stark vergrößerten Faksimiles Genüge getan.

Die Dokumentenlage zu Ramées Leben und Werk ist mager. Außer einer kolorierten Ansicht vom Baurs Park und einer postkartengroßen Federskizze gibt es kaum von ihm gezeichnete Originale zu sehen. Bleibenden Eindruck hinterlassen vor allem die Lithographien, die Thierry Frères 1823 nach Plänen Ramées anfertigte. Die Präsentation ist nicht romantisierend, sondern macht Vergänglichkeit und Vergangenes unmittelbar spürbar. Ein ganzer Raum des Kabinett-Rundgangs im zweiten Stock des Hauses widmet sich den „Parks im Wandel“. Der Gartenpavillion im Baurs Park wird mit einer Illusion rekonstruiert, Zuwachs und Schwund der Grünareale werden – nicht immer klar, aber nachvollziehbar – von Studierenden der Hochschule für bildende Künste dargestellt. Sehr deutlich wird hier, dass Landschaft gestaltet und nicht verwaltet wurde. Anders gesagt: „Landhäuser und Gärten sind Zeugen des öffentlichen Geschmacks, die niemals der Politik gleichgültig seyn sollten.“ (Hirschfeld). CHRISTIAN T. SCHÖN

Di–So 11–18 Uhr, Jenisch Haus, Baron-Voght-Str. 50; bis 7.9.

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