Ein Geben und Nehmen

Der Bund will bei den Kommunen kassieren, um einen Teil der Kosten des Arbeitslosengeldes II hereinzubekommen

aus Berlin ULRIKE HERRMANN

Die Regierungssprecher waren gestern zurückhaltend: Entschieden sei nichts. Auf jede Frage folgte die stereotype Antwort, dass die geplanten Arbeitsmarktreformen gerade die „Ressortabstimmung“ durchlaufen. Jedes Ministerium kann also noch Einwände gegen den Referentenentwurf vorbringen; erst am 13. August will das Bundeskabinett definitiv beschließen, wie die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe genau aussehen soll. Danach aber, da war man sich gestern amtlich sicher, würde „die Aufgeregtheit der Diskussion“ verfliegen.

Wie meist, wenn es in der Politik aufgeregt wird, geht es um Finanzielles. Nur die Ausgangslage ist unumstritten: Bisher zahlen Städte und Gemeinden die Sozialhilfe; wenn diese mit der Arbeitslosenhilfe zum neuen Arbeitslosengeld II zusammengelegt wird, übernimmt der Bund die Kosten für alle Langzeitarbeitslosen. Das Manöver dürfte die Kommunen um 11,6 Milliarden Euro entlasten – sagt der Bund. Stimmt nicht, protestierte gestern der Städtetag, es seien nur 10,4 Milliarden.

Gravierend ist der nächste Streitpunkt: 1,5 Milliarden Euro, so viel war immer klar, sollen die Kommunen jährlich behalten dürfen, um die Kinderbetreuung auszubauen. Doch was geschieht mit dem restlichen Plus von etwa 10 Milliarden Euro? Bisher versprach die Regierung, die Kommunen finanziell zu stärken. Doch dazu schweigt der Gesetzentwurf plötzlich. Stattdessen gedenkt der Bund bei den Kommunen abzukassieren, um wenigstens einen Teil der Reformkosten hereinzubekommen. Schließlich rechnet das Wirtschaftsministerium mit einer Belastung von 26,6 Milliarden Euro für 2005. Das ist fast doppelt so viel wie im letzten Jahr, als für die Arbeitslosenhilfe knapp 15 Milliarden Euro fällig wurden. Der Städtetag ist „schockiert“, die Infrastruktur in den Gemeinden „würde weiter dramatisch verfallen“.

Um die kommunalen Mittel abzusaugen, wählt der Gesetzentwurf einen indirekten Weg: Der Bund will seinen Anteil an der Umsatzsteuer schrittweise von 50,5 auf 57,7 Prozent im Jahre 2005 erhöhen – macht etwa 10 Milliarden Euro. Die Länder hätten entsprechend weniger und sollen sich über den „kommunalen Finanzausgleich“ bei Städten und Gemeinden bedienen.

Bitterer Streit wäre zu erwarten. Daher kündigte Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) gestern an, den Gesetzentwurf im Bundesrat abzulehnen: „Dem Bund wird es nicht gelingen, Länder und Kommunen gegeneinander auszuspielen.“ Zudem, unangenehm für Bayern, würde die Berliner Rückfinanzierung gerade die reichen Länder belasten. Da ihre Kommunen prozentual weniger Sozialhilfeempfänger unterstützen, würden sie vom neuen Arbeitslosengeld II nicht so profitieren wie arme Länder.

Aber vielleicht kommt ja alles anders. Ein Regierungssprecher riet gestern, die ebenfalls anstehende Reform der Gewerbesteuer abzuwarten. Schließlich „hängt alles mit allem zusammen“. Das ist so wahr wie ein anderer Satz, der gestern fiel: „Es geht um sehr viele Zahlen.“