„Kosten zu besteuern ist doch nichts Ungewöhnliches“

Der Finanzwirt Peter Heine befürwortet die Erweiterung der Gewerbesteuer. Schließlich sorgten die Kommunen für Infrastruktur, die auch Freiberuflern zugute kommt

taz: Herr Heine, heute will sich Kanzler Schröder im Streit um die neue Gewerbesteuer festlegen. Welche Chancen sehen Sie, dass sich Ihr Modell, das Modell der Kommunen, durchsetzt?

Peter Heine: Eher bescheidene. Es ist ja schon länger klar, dass Wirtschaftsminister Clement unseren Vorschlag schlicht ablehnt, weil wir auch Kosten mit der Gewerbesteuer belegen wollen – also Zinsen und Teile der Mieten, Pachten und Leasingraten, die die Unternehmen aufbringen. Allerdings ist wohl die SPD-Fraktion für unser Modell.

Clements Einwand klingt logisch: Gewerbesteuern würden sogar fällig, wenn ein Unternehmen zwar Kosten hätte, aber keine Erträge. Es würden also auch Verluste besteuert – ist das nicht widersinnig?

Dass Kosten besteuert werden, ist nicht so ungewöhnlich wie behauptet! Mineralölsteuer oder Versicherungssteuer zahlen die Firmen auch, wenn sie in der Verlustzone sind. Oder die Beiträge für die Industrie- und Handelskammern – die werden auch eingezogen, wenn die Unternehmen keine Gewinne machen. Wir Kommunen sind wie die Kammern zu sehen: Wir stellen den Unternehmen Leistungen zur Verfügung und dafür verlangen wir einen Beitrag in Form der Gewerbesteuer.

Trotzdem: Können Steuern mitten in einer Verlustphase nicht Arbeitsplätze bedrohen? Firmenchefs warnen davor.

Wir Kommunen haben kein Interesse daran, Arbeitsplätze vor Ort zu gefährden. Schließlich wären wir zuerst betroffen. Wenn eine Firma die Gewerbesteuer nicht aufbringen kann, wird sie meist von den Gemeinden gestundet, bis wieder Gewinne sprudeln. Es sind nie die Kommunen, die Konkursantrag stellen – sondern immer die Banken oder andere Gläubiger. Viele Betriebe haben zu wenig Eigenkapital. Die Schulden sind der eigentliche Risikofaktor.

Ein Beispiel?

Wer bei einem Verlust von 30.000 Euro Zinskosten von 130.000 Euro hat, müsste nach unserem Modell 4.700 Euro zusätzlich an Gewerbesteuer zahlen. Aber ich frage Sie: Wenn ein Betrieb dauernd Verluste einfährt – was ist dann wohl das Problem: die riesige Zinslast oder die paar tausend Euro Gewerbesteuer? Außerdem geht es um Gerechtigkeit.

Wieso?

Jetzt werden die Unternehmen besser gestellt, die Kredite aufnehmen oder das Betriebsgelände mieten, statt es zu kaufen. Denn die Kosten für Zinsen und Mieten schmälern den Gewinn und damit die Steuern. Benachteiligt ist die Firma, wo der Chef sein eigenes Geld hineinsteckt: Die hat keine Zinskosten, also muss sie die vollen Steuern zahlen. Dieses System ist widersinnig.

Aber würden ausländische Investoren durch eine höhere Gewerbesteuer nicht abgeschreckt? Schließlich gibt es diese Steuerart nur in Deutschland und Frankreich.

Die Firmen entscheiden nie nur nach Steuern. Wichtig sind der Markt und das Umfeld für die Mitarbeiter. Also: Gibt es einen Flughafen oder Kulturangebote? Genau das finanzieren wir mit der Gewerbesteuer.

Und Existenzgründer? Die meisten starten mit Verlusten, und schon würde die Gewerbesteuer zuschlagen.

Es gäbe hohe Freibeträge. Man könnte also Kredite von bis zu 600.000 Euro aufnehmen und müsste keine Gewerbesteuer zusätzlich zahlen. Und wie gesagt: Die Gemeinden sind immer bereit zu stunden, bis Gewinne fließen.

Auch Clement weiß, dass die Städte und Gemeinden mehr Geld brauchen. Als Alternative zu Ihrem Modell hat er vorgeschlagen, dass die Kommunen künftig 3 statt bisher 2,2 Prozent der Umsatzsteuer erhalten sollen.

Ein Horror.

Warum?

Dann wird von oben nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Denn Politik bei knappen Kassen funktioniert immer so, dass alle gleich unzufrieden sein sollen. Damit würden große Städte benachteiligt, die die Infrastruktur auch für die Umlandgemeinden zur Verfügung stellen. Konkret: Frankfurt bezahlt die Oper, und die Eschborner nutzen sie. Das wollen wir weiterhin dadurch ausgleichen, dass wir den Hebesatz der Gewerbesteuer selbst festlegen. Denn vielen Unternehmen ist es viel wert, in der Innenstadt von Frankfurt präsent zu sein.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN