das sommerwunder (6) : JÖRN KABISCH erklärt, warum der Sommer in Berlin so schön ist
Die Stadt knattert
Es nagelt, es tuckert, es röhrt in diesem Sommer vom Theodor-Heuss-Platz bis zum Frankfurter Tor, von der Sonnenallee bis zur Dunckerstraße – je nach Marke, Baujahr und PS-Zahl des Fabrikats, das gerade um die Ecke biegt. Welch schöne Musik in einer Stadt, die sonst akustisch so fest im Griff der Presslufthämmer, Betonmischer und Tieflader war. Berlin ist laut – daran haben wir uns gewöhnt. Doch wenn der Lärm den Soul bekommt, ist das der Kickstart in die himmelblaue Zeit des Jahres. Und Soul, den haben zweifellos nur Zweitakter-Motoren.
Berlin soll ja einige Ähnlichkeit haben mit Rom. Augenfällig wird das an den Rollern, die derzeit in der Stadt unterwegs sind: Vor allem Vespas, Schwalben, sogar einige alte Lambrettas wurden schon gesichtet. Wenn dann noch nackte braune Beine drauf zu sehen sind. Und in der City Frauen, den Helm statt Handtasche am Ellbogen schwingend, an Schaufenstern vorüberschlendern. Und Männer, die den Sommeranzug im Fahrtwind flattern lassen, dann ist das mehr als ein Hauch von Dolce Vita. E Basta!, und kein Wort der Widerrede.
Die Hauptstadt ist zum rollenden Museum der 50-Kubik-Historie geworden. Piaggio-Modelle der 60er-Jahre mit dem typischen kieksenden Nähmaschinensound flitzen durch Autokolonnen bis vor zur roten Ampel. Alle Vögel sind schon da. Schwalbe, Spatz und Habicht aus dem Hause Simson vereint ein sattes Brummen. Das elegante Sirren der Velosolex ist dagegen noch ein sehr seltener Akkord. Noch zu häufig wird der vom unfeinen Röhren der Scooter, Marke Peugot, Honda oder Suzuki abgewürgt. Dennoch: Die polyphone Sinfonie der Zweitakter, die macht sich.
Nicht nur bei 40 Grad im Schatten gibt es nichts Schöneres, als sich auf der O-Straße an einem ordentlichen Luftzug zu erfrischen. Berlin ist bekanntlich fahrradfeindlich. Bus und Bahn sind viel zu heiß in diesen Tagen und werden auch in den nächsten Monaten noch zu teuer sein. Autos hat diese Stadt ohnhin genug und Parkplätze viel zu wenig. Der Umstieg auf den Roller ist da nur logisch.
Er bedeutet: Kostenloses Parken auf Gehsteig oder Hinterhof, nur einmal pro Woche für fünf Euro tanken, niemals Stau oder nur zähflüssiger Verkehr auf Berlins Straßen und immer Aufmerksamkeit vor dem Café, für die einen auch jeder Cabriofahrer beneiden muss. Und je mehr es werden, die sich auf motorisierten zwei Rädern durch die Stadt bewegen, um so weniger können sie von anderen Verkehrsteilnehmern übersehen werden. Da, nur da, ist Rom Berlin noch weit voraus.