: Der kleine Bauer mit der großen Giftanlage
Urteil im bayerischen Gift-Prozess: Fünf Jahre Haft für Landwirt, der bis zu 5.000 Tonnen Sondermüll auf die Äcker Mittelfrankens verteilt hat. Gegen einige Hauptprofiteure wird noch ermittelt, gegen schlampige Behörden nicht
BERLIN taz ■ Der „Giftbauer von Neuendettelsau“ ist in erster Instanz verurteilt. Das Landgericht im fränkischen Ansbach sprach am späten Dienstagnachmittag eine Haftstrafe von fünf Jahren gegen den 37-jährigen Peter K. aus. Der Nebenerwerbsbauer büßt damit für eine der unverfrorensten Umweltsauereien der Republik. Er hatte laut Anklage von 1999 bis zu seiner Verhaftung im April 2002 über 5.000 Tonnen Sondermüll angenommen und mindestens die Hälfte davon, wahrscheinlich jedoch alles, einfach mit dem Güllefass auf die Äcker seines mittelfränkischen Heimatdorfes gefahren.
Peter K. sicherte den liefernden Müllmaklern jeweils zu, die Tankladungen in seiner Biogasanlage in Strom umzuwandeln. Ein unmögliches Unterfangen, wie ihm Gutachter schon von Anfang an klar machten. Biogasanlagen sind zur Beseitigung von Giftmüll weder geeignet noch zugelassen. Der Bundesverband Bioenergie sieht in dem Giftbauer aus dem Ort bei Nürnberg denn auch „einen Einzelfall, den wir in aller Schärfe verurteilen“, so Verbandsgeschäftsführer Bernd Geisen. Derzeit gibt es etwa 2.000 Biogasanlagen in Deutschland.
Das Verfahren hatte sich durch zahlreiche Zeugenaussagen und diverse Befangenheitsanträge der Pflichtverteidigerin Madeleine Adler seit Januar hingezogen. Zum Schluss sorgte Peter K. selbst mit zahlreichen Beweisanträgen dafür, dass sein Verfahren mit 34 Verhandlungstagen zum längsten in der Geschichte des Landgerichtes Ansbach wurde. Er selbst hatte nicht mehr viel zu verlieren. Sitzt er doch seit 2002 in Untersuchungshaft und hat dort schon drei Geburtstage gefeiert. Außerdem wird ihn das Land Bayern mit Millionenforderungen an Schadenersatz konfrontieren.
Seine Verteidigerin hatte auf Freispruch plädiert. Sie sieht K. als „ein Bauernopfer der Behörden, die den Betrieb einer Biogasanlage genehmigt und jahrelang geduldet“ hätten. „Sie sind kein Bauernopfer, sondern ein geldgieriger Umweltstraftäter“, erklärte dann aber der Vorsitzende Richter Hans Blummoser bei der Urteilsbegründung. Peter K. habe aus purem Gewinnstreben gehandelt.
Für die Behörden ist der Fall eine einmalige Blamage. Bauer K. hatte zuletzt eine Zulassung zur Entsorgung Dutzender problematischer bis giftiger Stoffe – mehr als die meisten großen Sondermüllentsorgungsfabriken. Das hätte jedem Verantwortlichen auffallen müssen. Mitarbeiter des Landratsamtes inspizierten seinen Hof zwar, ließen sich jedoch lediglich schriftlich versichern, dass keine gefährlichen Substrate auf Äcker ausgebracht werden. Das Landratsamt genehmigte teilweise unbürokratisch per Fax im Glauben, das Landesamt für Umweltschutz in Augsburg werde die Biogas-Sondermüllanlage schon geprüft haben – und umgekehrt. Derweil färbten sich die Äcker lila, weiß oder blau durch die verspritzten Substanzen. Erst nach zwei Jahren wiederholter Beschwerden von Anwohnern kamen die Ermittlungen ins Rollen.
Die teilweise hochgiftige Ware kam ursprünglich von namhaften deutschen Konzernen in Branchen wie Luftfahrt, der Chemie-, Koks- oder Automobilindustrie. Diese hatten den Sondermüll an Entsorgungsfirmen verkauft – zu Preisen von 100 bis 300 D-Mark die Tonne. Der Landwirt hatte die Flüssigkeiten dann vor allem von zwei hessischen Müllmaklern zu einem Preis von häufig nur etwa 30 Mark je Tonne abgenommen – darunter Ameisensäure, Anilin, Toluol. Seine Biogasanlage hatte angesichts der ungeeigneten Stoffe schnell den Geist aufgegeben und wurde dann eher als Pufferlager für den Sondermüll genutzt – bis der Angeklagte oder sein Vater die Brühe mit dem Güllefass auf eigene und gepachtete Äcker verspritzte. Bauer K. nahm laut Kriminalpolizei 112.000 Euro für die Entsorgung ein.
Die meisten der Müllmakler hätten wissen müssen, dass ihr Abnehmer keine ordnungsgemäße Entsorgung sichern konnte. Sie verweigerten jedoch im Verfahren jede verwertbare Aussage, weil gegen sie in getrennten Verfahren ermittelt wird.
Ein Gutachter fand auf 26 verschiedenen Grundstücken „Schadstoffe jenseits aller Grenzwerte“. 2,6 Millionen Euro kostete die Aufarbeitung der verseuchten Äcker und die Entsorgung des Giftmülls in den verlassenen Anlagen bisher. Das meiste zahlte das Land Bayern, aber auch der Landkreis Ansbach musste mit 360.000 Euro etwa zwei Euro pro Bewohner aufbringen. Dazu kommen noch Prozesskosten von 150.000 Euro.
CSU-Umweltminister Werner Schnappauf sprach denn auch vom „größten Giftskandal Bayerns“. Das Landesumweltamt hat nun angeblich Sicherungen eingebaut gegen den Missbrauch der liberalen Müllbestimmungen im Land. Giftbauer wie Anwohnern in Neuendettelsau hilft das nicht mehr. REINER METZGER