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Archiv-Artikel

berliner szenen Am Winterfeldtplatz

Von 7 bis 8 Uhr

Ein seriöser Vierzigjähriger im hellblauen Hemd sitzt auf einer der Metallbänke an der Südseite des Platzes neben seinem Fahrrad und raucht. Zugleich geht der Mann, der im „Café M“ immer so guten Milchkaffe macht, eilig der Goltzstraße entgegen. Über dem „Amrit“ prüft eine Frau auf dem Balkon, wie das Wetter wird. Die Zeit zwischen 7 und 8 Uhr ist an diesem Dienstag die Stunde, da vieles gleichzeitig zu passieren beginnt. Man hat noch den Eindruck, alles registrieren zu können, aber das ist schon eine Illusion. Um 7.20 sind die fünf Männer plötzlich verschwunden, die am Zebrastreifen auf etwas gewartet hatten. Möglicherweise Tagesarbeiter, die hier abgeholt wurden; aber gesehen habe ich es nicht.

Das „Tim’s“ macht erst um 8 auf, aber einige Meter weiter bei Leckerback kann man schon Kaffee trinken. Viele einzelne Männer kaufen sich ein schnelles Frühstück. In einer ruhigen Minute unterhält sich die türkischstämmige Bedienung mit einem Stammkunden (Fönfrisur, orange Latschen) über dessen Heimsolarium.

„Das kostet doch sicher viel Strom.“ – „Gar nicht. Im Gegenteil, ich überlege mir, noch eins zu kaufen. Ein Zweitsolarium. Muss ja immer in den Grunewald zur anderen Wohnung fahren.“ Ein anderer Kunde wird mit „Sie sind ja so ein lieber Mensch, immer so früh schon glücklich“ verabschiedet. Es ist, als ob sie ihre gute Laune anschalten kann. Dann entsteht, weil einige der Kunden sich untereinander kennen, eine Art Morgenkaffee-Stammtisch.

Die letzten zehn Minuten der Stunde setze ich mich auf die Bank, auf der zu Beginn der rauchende Mann saß. Sehr schön rauscht hier der Wind durch die Baumkronen. DIRK KNIPPHALS

(8 bis 9 Uhr: kommenden Freitag)