: Der Fall der Familie Strauß
Vom Erbe des Franz Josef Strauß ist wenig geblieben. Sohn Max ist wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Tochter Monika Hohlmeier hortete offenbar dubiose Dossiers. Nur der dritte Strauß lässt hoffen: Franz Georg
VON JÖRG SCHALLENBERG
Montag, 19. Juli. Am Vormittag erscheint auf dem Polizeirevier in München-Giesing ein großer, dicker Mann in einem blauen, kurzärmligen Hemd, der dem 1988 verstorbenen Franz Josef Strauß wie aus dem Gesicht geschnitten scheint. Max Strauß, 45, Sohn des in weiten Teilen Bayerns und der CSU immer noch gottgleich verehrten früheren Ministerpräsidenten, muss sich nach seiner Verurteilung zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnis wegen Steuerhinterziehung in der vergangenen Woche zum ersten Mal bei der Polizei melden. In nächster Zeit wird er hier jeden Montag seine Unterschrift abgeben – das ist eine der Auflagen, unter denen der Haftbefehl ausgesetzt wurde. Seinen Reisepass und Personalausweis hat das Gericht gleich nach dem Urteil eingezogen, wegen Fluchtgefahr.
Dienstag, 20. Juli. Am späten Nachmittag gibt Monika Hohlmeier, 42, Tochter von FJS und bayerische Kultusministerin, in der Münchener CSU-Geschäftsstelle überraschend eine Pressekonferenz, auf der sie ihren Rücktritt als Münchner CSU-Chefin ankündigt. Angeblich wegen Arbeitsüberlastung. Am nächsten Morgen tauchen in den Zeitungen Erpressungsvorwürfe gegen sie auf. Sie soll Kollegen aus dem Bezirksvorstand während einer heftigen Diskussion um ihre Verstrickung an einer Wahlfälschungsaffäre innerhalb der CSU mit den Worten „Ich habe gegen jeden von euch was“ gedroht haben: Eheprobleme etwa oder angebliche politische Verfehlungen einer Ehefrau. In den folgenden Tagen erhärten sich die Entschuldigungen, mit ihrem Rücktritt als Ministerin kann gerechnet werden. Das wäre vorerst das Ende ihrer politischen Karriere.
Was sich in diesen Tagen in München abspielt, sind nicht nur Teile von juristischen und politischen Dramen – es handelt sich eher um eine Götterdämmerung oder, wie die Münchner Abendzeitung über zwei Seiten hinweg titelte, um den „Niedergang der Familie Strauß“. Zwar wird Max Strauß in Revision gehen, zwar steht seine Schwester noch unter dem Schutz von Edmund Stoiber (was sich erfahrungsgemäß schnell ändern kann) – und doch haben die Geschwister anscheinend innerhalb weniger Tage das politische und gesellschaftliche Erbe ihres Vaters verspielt. Oder sind von ihm erdrückt worden. Wahrscheinlich beides.
Der Dritte im Familienbund, der 44-jährige Franz Georg, hat es als einziger geschafft, sich rechtzeitig aus der Halbwelt internationaler Waffen- und Flugzeugschiebereien auf der einen und der Schlangengrube der Münchner CSU auf der anderen Seite abzusetzen. Seinen Bruder Max versuchte er noch rauszuhauen, indem er den Waffenhändler Karlheinz Schreiber in Kanada zu entlastenden Aussagen und der Herausgabe von Beweisen drängen wollte. Und auf eigene Faust in Liechtenstein nach verschwundenen Geldern und geheimen Konten suchte. Dabei wurde er sogar fündig – doch am Ende nutzte es alles nichts.
Was ist bloß geschehen seit jenen Tagen Mitte der Siebzigerjahre, an die Bild-Hofliterat Franz Josef Wagner in der vergangenen Woche im gewohnten Stakkato-Stil erinnerte: „Lieber Max, ich habe Sie kennen gelernt, als Sie Ihr Abitur machten. Ihr Vater war mächtig stolz auf Sie. Wir tranken Rotwein (drei Flaschen). Ihre Schwester Monika saß auf dem Schoß Ihres Vaters, Sie hatten Ihr Abitur. Sie erschienen mir frisch und heiter und voll Interesse, niemals hätte ich gedacht, dass Sie jemals ins Gefängnis kommen.“
Damals galt Strauß senior bereits als eine der schillerndsten politischen Figuren der deutschen Nachkriegsgeschichte. Er war schon Verteidigungsminister und Finanzminister in Bonn gewesen, lief als heimlicher Oppositionsführer Helmut Kohl den Rang ab, sollte 1978 dann bayerischer Ministerpräsident und zwei Jahre später Kanzlerkandidat von CDU und CSU werden. Bis zu seinem Tod am 3. Oktober 1988 wurde der aufbrausende, machtbesessene, hochintrigante und politisch außerordentlich geschickt agierende Strauß als „Vater des modernen Bayern“ geliebt und als Erzreaktionär ebenso innig gehasst – nicht nur nördlich des Mains.
Die drei Kinder gediehen indes prächtig, legten alle in München ihr Abitur ab und wurden nach dem Willen des Vaters zeitig in die sauberen Amigo-Kreise eingeführt, die sich alleine um Geld, Macht und Gier drehten. Das Verhängnis nahm seinen Lauf – denn alles, was jetzt über die Familie hereinbricht, scheint von Franz Josef Strauß bereits angelegt worden zu sein. Am deutlichsten zeigt sich das an Sohn Max. Ihn brachten letztlich die engen Kontakte zu Karlheinz Schreiber zu Fall. Gerade in diese aber hat ihn sein Vater förmlich hineingedrängt. Seit Max 17 war, nahm ihn der Alte als eine Art Privatsekretär auf seine Auslandsreisen mit, bei denen sich Politik und Geschäfte stets aufs Trefflichste vermischen ließen und Schreiber gerne als Mittelsmann genutzt wurde. Die hochoffiziellen, streng legalen Mittel und Wege wurden als Modell für Anfänger abgetan.
Dieses Verständnis darüber, wie es im Leben nun einmal zugeht, wie man handeln, drücken und kungeln muss, um Erfolg zu haben, hat Max Strauß zweifellos von seinem Vater gelernt – und dessen Werk offensichtlich nach dem Tod des Alten fortgesetzt, auch bei den Airbus- und Panzergeschäften mit Schreiber. Möglicherweise erklären sich selbst die Provisionen, die Max Strauß von Schreiber erhalten und nicht versteuert haben soll, aus der Familiengeschichte. Jene 5,2 Millionen Mark, die lange auf einem Schweizer Konto namens „Maxwell“ lagen, entsprechen sehr genau jener Summe, die Franz Josef Strauß und seine Frau Marianne Anfang der Achtzigerjahre bei Immobilienspekulationen in Kanada verloren hatten – durch die Schuld von Karlheinz Schreiber, dem das Geld anvertraut war.
So schien es im Augsburger Landgericht bisweilen wirklich, als säße Max Strauß, der in Figur, Gesichtszügen und seinem zumindest vor dem Prozess aufbrausenden und herrischen Wesen seinem Übervater Franz Josef am meisten ähnelt, stellvertretend für diesen auf der Anklagebank. Doch jedes der Kinder hat etwas vom großen Alten mitbekommen. Monika Hohlmeier wird innerhalb der CSU oft jene eiskalte Härte nachgesagt, die auch FJS auszeichnete. Und wenn sie jetzt Dossiers über ihre innerparteilichen Gegner angelegt hat, wie Mitglieder des Münchner Bezirksvorstandes vermuten, und ihnen mit Hinweisen auf ihr Privatleben droht, dann hat das auch Tradition.
Denn 1976, kurz nachdem Franz Josef Wagner zum Rotwein vorbeischaute, verbreitete FJS ein 41 Seiten starkes Papier über Franz Heubl, seinen damals stärksten und vergleichsweise liberalen Rivalen in der CSU. Darin wurden Heubl alkoholische Eskapaden, Faulheit und Unbeherrschtheit nachgesagt. Der Erfolg allerdings, das hätte Monika Hohlmeier noch wissen müssen, war zweifelhaft: Heubl wurde später Landtagspräsident, während sich Strauß in einem Untersuchungsausschuss peinliche Fragen wegen der Verleumdungen gefallen lassen musste.
Im Gegensatz zu ihrem Vater aber, und das ist der Knackpunkt der Geschichte, haben der Max und die Moni, wie man in der CSU so sagt, niemals auch nur annähend das Format, das Charisma oder die Macht besessen, um solche Eskapaden, juristische Vorwürfe oder gar Skandale wie einst die Spiegel-Affäre zu überstehen. Nur haben sie das selbst anscheinend nie begriffen. Wolfgang Dingfelder, der langjährige Anwalt von Max Strauß, wurde einmal mit den Worten zitiert, dass sein Mandant vom Vater zwar das heftige Flattern, aber nicht das Fliegen gelernt habe. Das gilt wohl auch für Monika Hohlmeier, die zwar gerne mal als mögliche Nachfolgerin von Edmund Stoiber gehandelt wurde, aber politisch – gerade im Gegensatz zu potenziellen Gegnern wie Staatskanzleichef Erwin Huber oder Innenminister Günther Beckstein – immer ein Leichtgewicht blieb. Mehr als eine Lehre zur Hotelfachfrau hat sie als Ausbildung nicht vorzuweisen, ihre fachliche Qualifikation als Kultusministerin wurde schon beängstigend oft in Frage gestellt.
Ihr Pluspunkt war da eher ihre Vorzeigbarkeit: jung, eine Frau, dazu noch die Strauß-Tochter, die ein bisschen Legende umweht, überzeugendes Auftreten in den Medien. Doch nun verkehrt sich vieles ins Gegenteil: Strauß-Gegner begleichen alte Rechnungen, Hohlmeiers Unerfahrenheit hat zu fatalen Fehlern beim Umgang mit der Wahlfälschungsaffäre geführt, ihre jüngsten Auftritte scheinen nun zu belegen, dass sie vor allem sehr überzeugend lügen kann. Was einer politische Karriere außerordentlich nützen kann – nur, das wusste schon FJS, „man darf sich dabei nicht erwischen lassen“. Den nötigen Instinkt scheint einzig Franz Georg Strauß geerbt zu haben. Doch der Jurist wird sich hüten, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Schließlich muss einer aus dem Strauß-Clan unbescholten bleiben, um im Notfall für die Geschwister bürgen zu können.