die augen des bauern von RALF SOTSCHECK :
Die Serengeti liegt in Irland. Es ist verblüffend, was sich an exotischem Getier auf der Grünen Insel herumtreibt. Zwar hat der heilige Patrick vor rund 1.500 Jahren die Schlangen vertrieben, und auch die irischen Bären sind längst ausgestorben; dafür gibt es in der Grafschaft Monaghan nahe der nordirischen Grenze einen wilden Puma. Nachts holt er sich Schafe und Kälber, was für die Bauern recht ärgerlich ist. Deshalb machen sie Jagd auf ihn. Einige haben das Tier sogar zu Gesicht bekommen.
„Es sah aus wie ein blöder Hund“, sagt Herbie Graham. „Ein riesiges Ding mit langen Beinen und winzigen Ohren, die man kaum sehen konnte. Und mit kleinen, braunen Streifen. Die Augen waren so rot wie glühende Kohlen. Das Ding sah schlimm aus. Man musste diese Augen einfach anstarren.“ Hat der Puma den Bauern hypnotisiert? Oder war es umgekehrt? Bauer Graham hat nämlich auch ziemlich rote Augen, was vermutlich am Alkohol liegt. Das Tier, das Bauer Eamonn Hannon sah, hatte keine braunen Streifen, sondern war schwarz. „Pechschwarz“, sagt er. „Es war länger als ein Labrador, zwei Meter ohne Schwanz, und duckte sich im Gras. Es starrte uns zehn Sekunden lang an. Ich weiß genau, was ich gesehen habe.“ Hannon war auf dem Nachhauseweg von der Hochzeit seiner Schwester und hatte vermutlich ebenso rote Augen wie Kollege Graham. Am nächsten Tag spazierte er über den Golfplatz von Clones, behauptet der Bruder des ehemaligen Boxweltmeisters Barry McGuigan. Er kam aus der Richtung einer Kneipe. Der Puma, nicht McGuigan. Er hat sich dort wohl mit Graham und Hannon ein Schlückchen genehmigt.
Als die Furcht einflößende Bestie kurz darauf gleichzeitig im Norden und im Süden der Grafschaft gesehen wurde, machte sich Panik unter den Bauern breit. Sie sind seitdem davon überzeugt, dass mindestens zwei Pumas unterwegs sind, wenn nicht sogar eine ganze Herde. Wahrscheinlich sind die Tiere aus Nordirland über die Grenze gekommen, vermutet ein Farmer. Seit dem Friedensprozess gibt es keine Grenzkontrollen mehr.
Schließlich interessierte sich auch die Polizei für die Pumas. Sie setzte einen Hubschrauber mit wärmeempfindlichen Suchgeräten und ein Kampfflugzeug mit modernsten Gewehren ein, mit denen man einem Puma auf 600 Meter ein Schnurrbarthaar abschießen kann. Scharfschützen, die man von der Armee ausgeliehen hatte, durchkämmten unterdessen das Gelände am Boden. Die Aktion kostete rund 100.000 Euro, aber nicht ein einziger Puma konnte erlegt werden.
Die schwarze Raubkatze kam sogar ins Fernsehen. Der irische Staatssender zeigte in der Hauptnachrichtensendung ein kurzes Video, das ein Bauer aufgenommen hatte. Ein Zoologe identifizierte das darin gezeigte Tier als gewöhnliche Hauskatze, die „ein bisschen größer als die durchschnittliche Mieze“ ist. Die Bauern in Monaghan zweifeln an dieser Theorie. Dabei müssten sich die Iren mit Katzen eigentlich auskennen. Allein in Dublin streunen weit über eine Million herrenlose Katzen herum – das sind mehr, als die Stadt Einwohner hat. Aber für eine europäische Serengeti reicht das dann wohl doch nicht.