Wiederentdeckung der „Wilden Gesellen“

Mit der „Edelweißpiratentour 2004“ wollen der Humba Efau und sein Vorstand Jan U. Krauthäuser an einen fast vergessenen Aspekt der Kölner Widerstandsgruppe erinnern: ihren engen Bezug zur Wandervogelbewegung

KÖLN taz ■ „Der Krieg sollte aufhören. Wir wollten eine bessere Welt und hatten unsere Ideale. Dafür haben wir immer mit einem Bein im Grab gestanden.“ Mit einer bewegenden Schilderung ihrer Jugend als „Edelweißpiratin“ eröffnete Mucki Koch letzten Sonntag die „Edelweißpiratentour 2004“, die an diesem Wochenende fortgesetzt wird.

Auf der Tour bringt der Veranstalter „Humba Efau“ Zeitzeugen und Kölner Musikgruppen an „historischen Orten“ auf die Bühne – also dort, wo sich die Jugendlichen in der NS-Zeit heimlich trafen, um zusammen zu musizieren, zu diskutieren und von schöneren Zeiten zu träumen. Im Königsforst etwa, das Ziel des „musikalischen Spaziergangs mit Edelweißpiraten und Musikanten“ am kommenden Samstag. Oder im Friedenspark, wo am Sonntag der „Edelweißpirat“ Jean Jülich seine Geschichte erzählen wird. Oder eben im Rosengarten des Volksgartens: Ein paar Meter weiter am Weiher sang die 81-jährige Mucki Koch nach ihrer kleinen Geschichtsstunde vor rund 150 Zuschauern ein paar Lieder der „Piraten“.

Die Idee für die Tour kam Humba-Vorstand Jan Ü. Krauthäuser im Laufe seiner aktuellen Mission: Im Auftrag des EL-DE-Hauses soll der Humba Efau die Lieder der Edelweißpiraten mit verschiedenen Musikern neu vertonen. Für Krauthäuser eröffnete sich so ein ganz neuer Blick auf diesen Teil der Kölner NS-Geschichte: Denn dass die „Piraten“ ursprünglich aus der Wander- und Naturfreundebewegung gekommen seien und vor allem zusammen gesungen und gefeiert hätten, sei ja heute fast vergessen. Meist würde die Jugendgruppe „von den üblichen Verdächtigen“ entweder als rein politische Widerstandsgruppe vereinnahmt oder als „kriminelle Jugendbande“ verdammt. Dass die Edelweißpiraten aber auch eine „eigene fröhliche Jugendkultur“ entwickelt hätten, würde meist unterschlagen. „Und so ist auch ihr ‚Musikschatz‘ inzwischen weitgehend verschüttet“, hat er festgestellt.

Damit sind die Lieder der „Piraten“ natürlich ein „klassischer Fall“ für den Humba Efau, dessen ganzes Sinnen und Trachten darauf gerichtet ist, die Vielfalt und Originalität von musikalischen Traditionen neu zu entdecken. Dabei gilt Krauthäusers Aufmerksamkeit zwar in erster Linie der Kölner Karnevalsmusik. Aber auch westafrikanische und türkische „Folklore“, die mit den Migranten in die Stadt kam, ist für ihn interessant. Und so bringt er auf den inzwischen berühmten Humba-Partys – an Karneval oder auch im Sommer – gerne kölsche und andere Musikgruppen zusammen. „Daraus entstehen oft spannende Geschichten“, findet Krauthäuser, gesteht aber gleichzeitig, dass es immer schwieriger sei, wirklich gute kölsche Musiker zu finden.

Dazu zählt er etwa das Trio „Sakko Colonia“, das am Sonntag im Königsforst mit dabei ist und am ersten Tour-Tag Mucki Koch bei ihren Piraten-Liedern begleitete. Auch das „Menschensinfonieorchester“, das den Nachmittag im Volksgarten abrundete, spielte ein Edelweißpiratenlied: „Wilde Gesellen“, ein altes Wanderlied, das auch bei der Hitlerjugend und den Moorsoldaten gesungen wurde, wie der Humba-Chef von Mucki Koch weiß.

Dieses Beispiel zeige, so Krauthäuser, wie spannend es sein könne, die Tradition der Wander- und Fahrtenlieder neu zu reflektieren. „Nach dem Faschismus wurde viel den Rechten überlassen.“ Da sei es ein „wohltuender Schock“ zu begreifen, dass solche Lieder ja auch die „Guten“ gesungen haben.

So hofft Krauthäuser, mit der Edelweißpiraten-Tour ein Beispiel zu geben, wie man heutzutage vielleicht auch mit deutscher Kultur und Vergangenheit umgehen kann. „Mir hätte es als Teenager geholfen zu wissen, dass es im Dritten Reich Jugendliche gab, die Indianer gespielt und gesungen haben. Und die einfach keinen Bock auf Hitlerjugend hatten.“ Susanne Gannott

Samstag, 31. Juli: Treffpunkt 15.45 Uhr, KVB-Endhaltestelle „Königsforst“ (Linie 9): Musikalischer Spaziergang mit Edelweißpiraten und Musikanten: La Papa Verde, Sakko Colonia Sonntag, 1. August: 16 Uhr, Friedenspark, mit Jean Jülich, Carlos Robalo Combo und Klaus der Geiger Samstag, 28. August: 16 Uhr, Kletterrose, Lindenthal, Festivällche im Schrebergarten Finale mit Edelweißpiraten, Sakko Colonia, Carlos Robalo, Jabalax www.humba.de