: Meisterbrief für Unternehmensgründerinnen
Ein Unternehmerinnenbrief soll Frauen im Ruhrgebiet den Weg in die Selbstständigkeit ebnen. Frauen mit fertigen Konzepten können sich dafür bewerben. Ein ExpertInnen-Team bewertet das Konzept und stellt das Zertifikat aus
taz: Existenzgründungshilfen für Frauen gibt es bereits. Welchen zusätzlichen Nutzen hat der Unternehmerinnenbrief?
Delia Temmler-Häring: Der Brief soll an Frauen vergeben werden, die mit ihrem Unternehmen bereits in den Startlöchern sitzen. Er ist ein Zertifikat für Frauen, die bereits eine Idee und ein Finanzierungskonzept entwickelt haben. Oder auch für Unternehmerinnen, die expandieren wollen. Ein ExpertInnengremium bescheinigt der Bewerberin, ob ihre Geschäftsidee aufgeht. Der Brief soll Frauen helfen, bei den Banken für Kredite zu werben.
Bekommen Frauen ohne diesen Brief keine Kredite?
Banken sind wesentlich zurückhaltender, wenn es um die Kreditvergabe an Frauen geht. Das kann auch daran liegen, dass viele Frauen kleinere Unternehmen mit geringen Wachstumsabsichten gründen.
Und ein Unternehmerinnenbrief soll gegen die Bedenken helfen?
Dadurch, dass auch VertreterInnen von Banken, der Handelskammer und der Wirtschaftsförderung im Expertengremium sitzen, denke ich schon. Oft sind es aber die Frauen selbst, die ihrem Finanzkonzept nicht trauen. Sie sehen mehr die Risiken einer Unternehmensgründung.
Das Modellprojekt in Münster hat gezeigt, dass viele Frauen Gründungsideen haben, für die sie wenig Kapital benötigen.
Das ist wahr. Viele wollen sich auch in Teilzeit selbstständig machen. Doch es geht beim Unternehmerinnenbrief nicht nur um die Kreditwürdigkeit. Viele Frauen haben bereits ein gutes Konzept, das auch finanziell aufgeht. Sie wollen vom ExpertInnengremium oft einfach nur eine Bestätigung dafür.
Mit welchen Ideen wollen sich Frauen selbständig machen?
Die Frauen, die unsere Existenzgründungsseminare besuchen, wollen beispielsweise eine Rund-Um-Kinderbetreuung anbieten, ein Fotogeschäft übernehmen oder eine Behindertenwohngruppe aufbauen. Die erste Frau, die jetzt eine Bewerbung für den Unternehmerinnenbrief eingereicht hat, will Beratungen in der Feuerfest-Technik anbieten.
Ist das Revier Vorreiter in der Existenzförderung von Frauen?
In Nordrhein-Westfalen ist die Emscher-Lippe-Region zumindest die erste, die nach seiner Erprobung in Münster den Unternehmerinnenbrief anbietet. Die Regionen Rhein-Ruhr-Wupper und Aachen wollen nachziehen. Aber eines ist klar: Weltweit steht Deutschland mit der Gründungsförderung von Frauen sehr schlecht da. In einer neuen Studie waren wir von 41 untersuchten Ländern auf Platz 39. An erster Stelle sind Thailand und Hongkong.
INTERVIEW: NATALIE WIESMANN
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