: Von der Ich-Maschine zur Ich-AG
Die Sparschweine wollen gefüttert werden: Mit linken Slogans und einem wilden Electropunk-Sound hat die Kölner Band Von Spar eine schicke Kontroverse losgetreten
Kunst kann ja, so ist das heutzutage, alles können. Doch ob’s einen interessiert, das entscheidet traditionell eher etwas anderes: der Hype. So gesehen sind Von Spar immerhin schon mal eins: interessant. Die einen finden’s modern, die anderen rückwärts gewandt, was das Kölner Trio auf seinem Debütalbum „Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative“ treibt. Ob aufregend oder langweilig, verkopft oder durchdacht, ob bescheuert oder begnadet, das wird momentan noch ausgiebig diskutiert. Kurz: Hier ist für jeden was drin und für manchen entschieden zu viel.
Doch: Was schön ist an dieser Platte, was sie auch so angreifbar macht, ist genau dies, ihre Divergenz. Bei ihnen streiten in einem Song, beispielsweise „Schockwellen aufs Parkett“, die so modernen wie abgehackten Gitarren von Franz Ferdinand mit dem erbärmlich piesigen Fiepen eines Synthies aus den Eighties, bis sich schließlich der wie durch ein Megaphon gejagte Gesang zu überschlagen droht. In einer Zeit, in der Bands wie ferngesteuert auf der Suche sind nach einer corporate identity im Klang, die den Hörer auf Albumlänge in Sicherheit wiegt, scheren sich Von Spar nicht um Einheitlichkeit.
Allerdings auch nicht allzu sehr darum, ob sie all die Stile, die sie versuchen zu integrieren, auch wirklich beherrschen. Doch die Halbfertigkeit, das Angedachte, Angeschnittene, Versuchte und schon irgendwie Hingebogene, das soll hier mal vorausgesetzt werden, gehört zum Konzept. So gesehen gebiert der Geist des Punk hier den letztgültigen Hybrid: Instrumente und Elektronik machen sich auf durch die Jahrzehnte, man singt Deutsch und Englisch, pitcht Stimmen zum Prince-Falsett und jagt sie durch den Verzerrer, hakt Rock und Pop ab, HipHop und Dancefloor, Disco und Funk. Einmal um die ganze Welt in nicht mal 38 Minuten und, um den Refrain von „Bunsenwahrheiten“ zu zitieren: „Schön, dass ihr dabei seid.“
Nun aber, auch wohl weil Von Spar ein Allstar-Verband aus Mitgliedern von Urlaub in Polen, Elle Al und Oliver Twist ist, darf die Kreuzfahrt durch den populären Musikfundus allein nicht genügen. Vom tagespolitisch konnotierten Albumtitel bis zu Interviews, in denen man postuliert, dass gute Musik immer ideologisch abgesichert sein müsse, gibt man sich bedeutungsschwanger. Ihre Herangehensweise allerdings, alle denkbaren Einflüsse nahezu ungefiltert umzusetzen, bandintern als Punk oder Dada umstritten, mag musikalisch noch so sympathisch sein, textlich verkommt sie zur Beliebigkeit. So setzen sie im Titelsong die Blumfeld’sche „Ich-Maschine“ mit der Hartz’schen „Ich-AG“ gleich und rocken die hübsche Idee ohne große Ausführungen tot. Was soll uns das sagen? Dass Jochen Distelmeyer schuld ist an der Agenda 2010 und an Hartz IV gleich dazu?
Das zugehörige theoretische Rüstzeug allerdings, sollte es überhaupt jemals vorhanden gewesen sein, ist längst verschüttet unter einem stetig wachsenden Berg an modischen Statements zu linken Positionierungen, Weltanschauungen und Rezipientenverhalten. Schlussendlich also ist Von Spar mit einer kleinen CD und ein paar geschickt platzierten Äußerungen doch tatsächlich gelungen, wozu andere Künstler glauben, Blut, Nacktheit oder Gewalt bemühen zu müssen: eine schicke kleine Kontroverse auszulösen, die zwar nicht unbedingt die Weihen der Gralshüter der Popwelt garantiert, aber doch ein wenig verkaufsfördernde Aufmerksamkeit. Denn schließlich, wie es ein Von-Spar-Song verrät: „Eine Herde von Sparschweinen will gefüttert werden.“ THOMAS WINKLER
Von Spar: „Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative“ (L’Age d’Or/Rough Trade). Live: 27. 8. Scheessel, 29. 8. Wiesbaden, 6. 10. Köln