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Archiv-Artikel

Deutsche, rettet die Rente – esst mehr Nüsse!

Die Rente ist sicher nicht sicher, das weiss doch inzwischen jeder. Wie das deutsche Rentensystem funktioniert, das wissen die wenigsten. Alle reden von Privatvorsorge. Doch die Umlagefinanzierung ist besser als ihr Ruf

Schon seltsam: Alle Angestellten zahlen ein, eine Rentenreform löst die nächste ab – aber 60 Prozent der Deutschen wissen nicht, wie die gesetzliche Rentenversicherung funktioniert. Das ergab eine Umfrage der Uni Mannheim. Besonders ahnungslos, das heizt die Häme an, sind ausgerechnet die Bürger mit Abitur. Jedenfalls glauben die meisten Deutschen, dass die Umlagefinanzierung irgendwie ein Anlagekonto sei. Doch das ist schlicht ein Irrtum.

Dabei ist die Umlagefinanzierung nicht schwer zu durchschauen. Die heutigen Beschäftigten zahlen für die heutigen Rentner. Punkt. Da wird nicht gespart, investiert oder angelegt, um in fernen Jahrzehnten auf Zinsen zu hoffen. Die Zukunft gibt es sozusagen nicht. Die Umlagefinanzierung findet nur in der Gegenwart statt.

Obwohl die Bürger die Umlagenfinanzierung nicht so recht begreifen, urteilen sie harsch über sie: 85 Prozent würden am liebsten ihren Anteil an der gesetzlichen Rentenversicherung halbieren und stattdessen privat vorsorgen. Lang lebe die Kapitallebensversicherung.

Das kann jedoch durchaus teuer kommen. Es ist eine banale Tatsache, dass Banken und Lebensversicherungen gewinnorientiert arbeiten. Ein Teil der Vorsorge wird also abgezweigt, um Provisionen und Dividenden zu finanzieren. Auch die Verwaltung der angelegten Beiträge kostet Geld. Da müssen Aktiendepots umgeschichtet oder Rentenpapiere beschafft werden. Diesen Aufwand spart man bei der gemeinnützigen Rentenversicherung. 2001 betrug dort der Anteil der Verwaltungskosten an den Gesamtausgaben 1,65 Prozent. Die Privatversicherer halten ihre Zahlen geheim – aber Experten schätzen, dass der Verwaltungsaufwand teilweise bei zehn Prozent liegen dürfte.

Diese Rechnung wird viele potenzielle Kunden nicht beeindrucken. Schließlich sind Kapitallebensversicherungen momentan gesetzlich verpflichtet, eine Rendite von 3,25 Prozent zu garantieren. Solche Margen erwartet kaum noch jemand von der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn die „demografische Katastrophe“ zuschlägt.

Allerdings müssen Anleger irritiert erleben, dass die gesetzliche Mindestrendite bei Lebensversicherungen ab Januar auf 2,75 Prozent sinkt. Und auch alle anderen Anlageformen schwächeln, denn das Wachstum lahmt und die Binnennachfrage stagniert. Das dürfte sich nicht bessern. Es wird zu wenig konsumiert – weil so viele sparen.

Die Deutschen verhalten sich wie Eichhörnchen, die im Sommer Nüsse für den Winter vergraben. Sie glauben, sie könnten „Konsum verschieben“. Was ich mir heute vom Munde abspare, das wartet dann im Alter auf mich. Doch leider sind Sparguthaben oder Lebensversicherungen keine realen Nüsse, sondern virtuelle Rechtstitel. Sie regeln, wie in Zukunft künftige Güter verteilt werden. Die Nuss des Eichhörnchens existiert schon, aber das Komfortauto für den betagten Rentner, das ein Angestellter mit seiner Lebensversicherung in dreißig Jahren erwerben will, das wartet nicht jetzt schon in einer VW-Garage.

Wieviel jetzige Kapitalanlagen in 30 Jahren wert sind, das hängt davon ab, wie stark die Volkswirtschaft bis dahin wächst. Und zwar ab heute. Es ist daher nicht besonders schlau, jetzt so panisch fürs Alter zu sparen, dass es die Nachfrage und damit die Investitionen bremst. Auch hilft es nicht, allzu sehr aufs Ausland zu setzen. Die meisten Industrie- und Schwellenländer überaltern; auch dort wird zu viel gespart. Eine Sonderzukunft für Privatanleger gibt es nicht. Die Demografie holt alle ein. Warum also nicht in der so praktischen Umlagefinanzierung bleiben?

Sparfans dürfte es erschrecken, aber: Kollektiver Geiz ist dumm. Nüsse gibts morgen nur, wenn heute viele gefuttert werden. Eichhörnchen würden davon träumen.ULRIKE HERRMANN