UNFÄLLE AUF DEM ARBEITSWEG: ARBEITGEBER WOLLEN SICH DRÜCKEN : Ein unsittlicher Vorstoß
Mögen die Arbeitsplätze auch unsicherer werden – die Arbeit selbst wird sicherer: Die Zahl der Betriebsunfälle sinkt, die der Unfälle auf dem Weg zur Arbeit ebenso – und die Beiträge zur Unfallversicherung sinken auch. Zahlen wollen die Arbeitgeber trotzdem nicht mehr. Sollen die Arbeitnehmer doch ihr Unfallrisiko selbst tragen – erst einmal auf dem Weg zum und vom Job, dann sehen wir weiter, was wir ihnen noch überhelfen können.
Gerade die Wegeunfälle waren ihnen schon immer ein Dorn im Auge. Alle paar Jahre holen sie tief Luft und verlangen einen Umbau der Unfallversicherung, der fünften Säule des sozialen Sicherungssystems neben Gesundheit, Rente, Arbeitslosigkeit und Pflege. Sie ist die einzige Versicherung, die allein von den Arbeitgebern bezahlt wird – von dem Geld, das vorher von den Arbeitnehmern erwirtschaftet wird, ist doch klar. Auch bestreitet niemand, dass erst mit der Unfallversicherung die Unternehmen begonnen haben, die Arbeit sicherer zu machen.
Und dennoch halten die Arbeitgeberverbände nun ausgerechnet diesen Sommer für einen günstigen Zeitpunkt, die Debatte wieder einmal zu eröffnen. Eine großartige Wahl: Die SPD liegt sowieso am Boden und die Gewerkschaften sind mit sich selbst befasst. Die Menschen haben Angst vor Arbeitslosigkeit, Krankheitskosten, Vermögensverlust und vor allem, was ihnen mit dem Begriff „Reform“ verkauft wird. Man könnte annehmen, die Arbeitgeberverbände beschäftigten eine Extra-Abteilung „Wir ruinieren den sozialen Frieden“. Wenn man es nicht besser wüsste. Die Abteilung heißt natürlich in Wirklichkeit: „Was wir aus Rot-Grün herausquetschen können“ – und wie erfolgreich sie schon war! Die Steuern gesenkt. Das Lohnnebenkosten-Dogma verfüttert. Die Ausbildungsverpflichtung weiter abgeschoben. Das muss man verstehen: Die Privatisierung der Unfallversicherung wäre die Krönung dieser großen Fleißarbeit. Und ab 2006 regieren dann sowieso wieder die anderen.
Der Vorstoß der Arbeitgeberverbände ist mit reiner Interessenpolitik kaum noch zu entschuldigen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist er geradezu unsittlich. ULRIKE WINKELMANN