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Archiv-Artikel

Die Partisanen der Popkultur

Designer und Musiker machen gegen die Wiederwahl des amerikanischen Präsidenten mobil und entdecken Laufstege, Boutiquen und Konzerte als politische Foren: Die Konsumenten können das modische Statement mit dem politischen verbinden

VON VIOLA KEEVE

Da war selbst die linke New Yorker Straßenzeitung The Village Voice baff: Ausgerechnet im teuren Bezirk Nolita (North of Little Italy) in Manhattan, in dem sonst Freundinnen millionenschwerer Rockstars und Filmgrößen shoppen gehen und fast nur Ärzte, Anwälte, Moderatoren, Broker und Models in den teuren Loft wohnen, liegen „Anti-Bush-Shirts“ aus. Der kleine Laden auf der Mott Street heißt „Janet Russo“ und verkauft neben 500 Euro teuren Sommerkleidern grün-gelbe und pink-burgunder-farbene Shirts für nur 25 Euro. Auf der Vorderseite steht „Better Karma“ (Besseres Karma), auf der Rückseite „Vote Kerry“ (Wählt Kerry). Die Nachfrage sei groß, erklärt der Manager der Edel-Boutique. Ein paar Leute hätten zwar gefragt: „Und wo sind eure Bush-Shirts? Da haben wir gesagt, ihr seid im falschen Laden.“

Natürlich ist New York Ostküste, es repräsentiert jene Region, deren Bewohner in Michael Moores polemischem Anti-Bush-Dokumentarfilm „Fahrenheit 9/11“ geradezu gerannt sind, während Mel Gibsons fundamentalistisches Epos „Passion Christi“ vor allem im Süden, in Texas und im Bibelgürtel des mittleren Westens zum Kassenknüller wurde. Die New York Times druckte eine faszinierende Besucher-Karte ab, die deutlich das gespaltene Amerika zeigt – und dass offenbar nur erreicht und bedient wurde, was ohnehin schon gedacht wurde.

In Manhattans Yuppie-Viertel Nolita sind solch subversive Parolen auf T-Shirts dennoch eine kleine Sensation. Bei „Girlprops“ in der Prince Street gibt es glitzernde Peace-Zeichen, bei „Triple 5 Soul“ in der Lafayette Street Anti-Globalisierung-Unterwäsche von der Firma „Body as Billboard“ (Körper als Reklametafel). Auf Slip und Hemd steht „The only bush I trust is my own“ (Der einzige Busch, dem ich vertraue, ist mein eigener) oder „Keep your laws of my fucking body“ (Lass deine Gesetze von meinem verdammten Körper). Protest-Wäsche passe unter jeden Anzug, jedes Businesskostüm, rät das New Yorker Magazin Village Voice lakonisch.

Der Anwalt Jim Morrison aus New Jersey vertreibt Fake-Souvenir-T-Shirts von ungewöhnlichen Urlaubszielen unter dem Label „Dangerousbreed“. Darauf hat er „Saudi Arabia – Sportmen’s paradise“ mit Angler-Forelle-Motiv gedruckt, „Enjoy North Korea“ mit Palmen im Hintergrund, „Ski Irak“, „It's better in Syria“ oder „Discover the Magic … Iran“. Das Motto seiner Kollektion lautet: „Axis of Evil Vacation Destinations“ – Urlaubsziele auf der Achse des Bösen.

Anti-Bush-Shirts wie „No more Bushit“, „Support our troops – bring them home!“ oder „Operation enduring stupidity“ werden weltweit im Internet angeboten, natürlich gibt es solche Parolen-Pullover auch in Deutschland, etwa bei der Mutter aller Statement-Shirts, dem Hamburger Label „Mägde und Knechte“. Auf ihren Shirts steht schlicht „denken hilft“, „jeder Mensch ist sein eigenes Land“ oder „moslbuddjudchristarab“.

Gegen Bush zu sein ist hip, vielen Amerikanern kurz vor der Wahl aber durchaus ernst. Rapper, Rocker, Popper, Punker schließen sich zusammen, nehmen etwa einen „Rock against Bush“-Sampler auf und organisieren im Internet Projekte wie „Punkvoters“ oder „United to win without war“. Bekannte Rapper wie „The Roots“ aus Philadelphia sprechen in Interviews zum neuen Album „The tipping point“ von einem zweiten Vietnam, das sich Amerika aufgeladen habe.

Die Beastie Boys fordern auf ihrem neuen Album: „Mach deinen Kopf frei und denk eine Sekunde nach, bevor du im November dein Kreuzchen machst.“ Selbst das Elektro-Pop-Duo „I Am The World Trade Center“ aus dem US-Staat Georgia erklärt: „Wir sind sicherlich nicht zufrieden mit dem, was unsere Regierung in den letzten vier Jahren geleistet hat, besonders wenn du dir unser Engagement im Nahen Osten anschaust. Es ist Zeit für einen Regierungswechsel.“

Modedesigner, Filmemacher und Musiker machen verstärkt gegen die Wiederwahl des amerikanischen Präsidenten mobil und entdecken Laufstege, Kinosäle und Konzerte als politisches Forum. „Willkommen in der partisanenhaften Welt der Popkultur“, schrieb das führende amerikanische Musikmagazin Rolling Stone. Bei der Manöverkritik geht es dabei natürlich auch um zentrale amerikanische Werte wie Freiheit, Wahrheit, Gerechtigkeit – und Zivilcourage. „Vor einem Jahr etwa konnte man in diesem Land kein Wort über irgendetwas verlieren“, erklärte der Brite Elton John in einem BBC-Interview. „Du musstest Angst haben, dass deine Karriere von Leuten zerstört wird, die behaupten, du seiest unamerikanisch.“

Leichter hat es nur, wer bereits als Enfant terrible gilt – Walter van Beirendonck zum Beispiel, berühmt geworden als Designer der „Antwerp Six“. In einer ehemaligen Parkgarage hat der Rebell der flämischen Mode-Metropole letztes Jahr seine berühmte „Aestheticterrorists“-Kollektion verkauft. Dazu gehörten Vulnerable-Shirts (mit dem Schriftzug „Verwundbar“), Puppenschals, gehäkelte Gesichtsmasken, aber auch Grenzwertiges: orangefarbene Sprengstoffgürtel, die an Selbstmordattentäter erinnern.

Kleidung ist bei van Beirendonck mehr als nur Tragbares: In der belgischen Mode zählt Mut zur Dekonstruktion, zum Aufbrechen des Gewohnten. Seine aktuelle Sommerkollektion heißt „Futureday“. Auf ein kariertes Hemd und ein purpurrotes Kleid hat der Belgier das Motto seiner Kollektion gedruckt: „Krieg und Terror, Krankheit und Katastrophen, unsere Umwelt verschmutzt, Tiere: ausgerottet, Pflanzen: ausgerottet, Menschen: von der Ausrottung bedroht“, steht darauf. „Zeit, Mutter Erde zu verlassen? Nein, kämpft! Kämpft und glaubt an eine Zukunft!“. Seine Sommermode, sagt der Designdozent der Antwerpener Royal Academy of Arts, sei von Stanley Kubricks Kino-Klassiker „Uhrwerk Orange“ (1971) inspiriert – und der biblischen Geschichte von der wundersamen Rettung der Arche Noah.

Wie Van Beirendonck nimmt auch der frühere „bad boy“ der Fashion-Industrie, Alexander McQueen, kein Blatt vor den Mund. Der mit Preisen und Arbeitsangeboten überhäufte McQueen kann sich Spektakel leisten, denn er gilt als Meister der hohen Schneiderkunst: Auf der Mailänder Männer-Modewoche 2004/2005 schickte er Models mit blaugefärbten Gesichtern in braunen Marine-Uniformen und Schiffchen im Nacken auf den Catwalk. Andere trugen Tarnponchos, sandfarbene Shorts mit edlem Karomuster in Khaki und Rosé, Fallschirm-Overalls in Zitronengelb, aber auch Anzüge wie Guantánamo-Gefangene und Gasmaske im Stil von „Pretty in Pink“ – der Schocker der luxuriösen Schauen.

Was das sollte? „Es ist ein politisches und ein modisches Statement, zwei getrennte Kulturen, die hier harmonisch verbunden werden können“, sagt McQueen knapp. Sein Ethno-Mix aus Folklore, Military, Surf-Optik und britischer Schneiderkunst ist Antiglobalisierungschic im Luxusgewand, ist eleganter Modestreifzug quer über die politische Landkarte – von Kuba nach Indien, über Irak, Iran, Afghanistan bis hin nach Washington, Weißes Haus.

Fotohinweis: Beschriftungen, die über das Bekenntnis, eine „Zicke“ zu sein oder „Böhse Onkelz“ zu hören, hinausgehen: mit dem eigenen T-Shirt am Wahlkampf teilnehmen FOTOS: WWW.BODYASBILLBOARD.COM