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Archiv-Artikel

Eisenbahner auf der Straße

Während die Bahnwerker mit einer Kreuzungsblockade gegen Arbeitsplatzabbau protestieren, präsentiert Uwe Beckmeyer zwei potentielle – aber streng geheime – Übernahme-Investoren

Vergangenheit: das Diesellok-Kompetenzentrum

Von Henning Bleyl

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Uwe Beckmeyer hat nach eigenem Bekunden zwei Investoren an der Hand, die sich für eine Teilübernahme des Bremer Bahnausbesserungswerkes interessieren. Hintergrund ist der befürchtete Abbau von 170 Arbeitsplätzen, gegen den sich die Angestellten des in Sebaldsbrück gelegenen Traditionswerks gestern mit einem Protestmarsch und einer Kreuzungsblockade mit rund 400 Beteiligten zur Wehr setzten.

Nach Einschätzung des Betriebsrats handelt es sich bei der drohenden Belegschaftsdrittelung um eine politisch motivierte „Strafaktion“ der Konzernführung. 2007 verlor die DB Regio die Ausschreibung um das Bremer S-Bahn-Netz – nun soll die Radsatzfertigung in Bremen gestrichen werden. Begründet dieser zeitliche Zusammenhang eine ernst zu nehmende Verschwörungstheorie oder geht es um schlichte Betriebswirtschaft? Mit „hingedrehten Zahlen“ könne man alles begründen, sagt Betriebsrats-Vize Peter Nowack – der die Namen der potentiellen Investoren im Übrigen ebenso wenig nennen will wie Beckmeyer selbst.

Ein Beispiel aus dem Innenleben des Bahnwerks: Die DB-Geschäftsführung begründe die vermeintliche Unrentabilität des Werkes unter anderem mit „falschen Angaben“ über die 2009 zu fertigenden Treibradsätze, sagt der Betriebsrat. Die Konzernzentrale gehe von 1.178 statt der zum Zeitpunkt der Berechnung vorgesehenen 1.658 Stück aus. Bei der Prognose der erwarteten Einsparungen per Fertigungsverlagerung klaffen die Zahlen noch viel weiter auseinander: Die DB rechnet mit 1,2 Millionen Euro, der Betriebsrat mit 150.000. Interessant ist in diesem Zusammenhang das Worst Case-Szenario des Sozialplans für die Mitarbeiter: Er geht von 4,5 Millionen Euro aus, überstiege die auf vier Jahre angelegte Einsparerwartung also deutlich.

Die Bremer Bahnwerker haben schlechte Erfahrungen mit ihrer Zentrale: Schon zu Bundesbahnzeiten wurden die einstmals 1.500 MitarbeiterInnen und 230 Auszubildenden deutlich dezimiert, die 1998 erfolgte Umwandlung in die Deutsche Bahn AG senkte die Beschäftigtenzahl auf 800, nur 100 Ausbildungsplätze blieben übrig. Eine 2001 vorgenommene „Werkreform“ unter Beteiligung der Unternehmensberatung Roland Berger senkte die Zielzahl auf 200 feste Mitarbeiter, die Fertigung von Rangierloks, Getrieben und Kranwagen wurde Richtung Osten verlagert. Diese Einschnitte trafen die Beschäftigten umso unerwarteter, als noch Ende der 90er Jahre kräftig in den Standort investiert worden waren: Bremen – seit den 90-ern auch allein zuständig für die Reparatur sämtlicher DB-Dieselloks – galt nach Abschluss der 30 Millionen Euro schweren Maßnahme als modernstes Werk der Bahn AG. Die jährliche Produktionsleistung lag bei 100 Millionen Euro.

Doch das ist endgültig Vergangenheit: Nachdem Bahnchef Hartmut Mehdorn vor genau einem Jahr sogar die bevorstehende Schließung des Bremer Werkes angekündigt hatte, zog er sich nach massiven Protesten auch seitens der Landesregierung auf die Formulierung zurück, Bremen sei „künftig kein Investitionsstandort“ mehr.

Ende März will die Bahn AG in einem Dreier-Gespräch mit dem Bremer Betriebsrat und der Gewerkschaft Transnet klären, ob ein Teilverkauf des Werkes für sie in Frage kommt. Auch die strittigen Arbeitsplatzabbau-Szenarien – bislang wurde den betroffenen BremerInnen eine Anstellung in Neumünster oder Wittenberge/Brandenburg in Aussicht gestellt – sollen dann erörtert werden.