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Archiv-Artikel

EIN EU-REFERENDUM WÄRE EINE CHANCE ZUR EINFÜHRUNG VON PLEBISZITEN Offensive statt Selbstdemontage

Wie mache ich aus einem mobilisierungsfähigen Projekt einen Rohrkrepierer? Rot-Grün demonstriert dies gerade anschaulich mit dem Plan, Volksentscheide im Grundgesetz zu verankern. Denn eigentlich kommt die Idee im richtigen Moment. Plebiszite sind ein sinnvolles Instrument gegen Ohnmachtsgefühle, die Forderung nach ihnen ist populär. Und auch taktisch ist der Zeitpunkt günstig.

Während die Opposition in der letzten Wahlperiode eine Grundgesetzänderung verweigerte, droht ihr nun selbst eine Zerreißprobe. Rot-Grün muss die Plebiszitoffensive nur so gestalten, dass auch ein Referendum über die geplante EU-Verfassung möglich ist. Dies hat in FDP, CSU und in Teilen der CDU viele Anhänger, die dann nur noch schwer gegen die Verfassungsreform stimmen könnten.

Zentral ist dabei der Fahrplan zur Ratifizierung der EU-Verfassung. Er muss ermöglichen, dass vorab auch eine fundierte Diskussion über die Volksgesetzgebung geführt werden kann. Zwar könnte man ein isoliertes EU-Referendum in drei Monaten beschließen. Doch die generelle Einführung von Plebisziten im Grundgesetz ist ein viel komplexeres Vorhaben und benötigt sicher ein Jahr.

Eigentlich ist die Zeit auch da, denn die EU-Verfassung soll erst Ende 2006 in Kraft treten. Doch Grünen-Außenminister Fischer hält daran fest, dass Deutschland die EU-Verfassung „so schnell wie möglich“ ratifizieren soll, um anderen EU-Staaten ein Vorbild zu sein. Auch SPD-Chef Müntefering will keine „Verzögerungen“ bei der Ratifizierung zulassen. De facto heißt das, sie wollen eben doch auf ein Referendum verzichten und stattdessen Bundestag und Bundesrat allein abstimmen lassen. So haben es die Plebiszitkritiker in der Union leicht, die Reihen geschlossen zu halten.

Europapolitisch spricht nichts gegen eine deutsche Ratifizierung Anfang 2006. Dann würde Deutschlands Ja zur Verfassung das Signal zum europaweiten Schlussspurt geben. Wer darin keine Option sieht, will wohl eher das Referendum oder Volksentscheide generell verhindern. Mit solcherart Selbstdemontage kommt Rot-Grün aber nie in die Offensive. CHRISTIAN RATH