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Archiv-Artikel

Was ganz lange währt

Zehn Jahre nach dem Strahlenskandal: Damaliger UKE-Professor Klaus-Henning Hübener muss sich wegen fahrlässiger Tötung nun doch vor Gericht verantworten, weil er Patientin falsch behandelt haben soll: Frau war an Spätfolgen gestorben

von ELKE SPANNER

Zehn Jahre nach Bekanntwerden des Strahlenskandals an der Universitätsklinik Eppendorf (UKE) muss sich jetzt ein Mediziner strafrechtlich dafür verantworten: Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) teilte gestern mit, dass es die Anklage gegen den damaligen Leiter der Abteilung Strahlentherapie, Prof. Klaus Henning Hübener, zugelassen hat und es zum Prozess gegen ihn kommen wird. Das OLG geht davon aus, dass Hübener durch falsche Bestrahlung eine fahrlässige Tötung der UKE-Patientin Irene S. begangen hat. Die war 1988 im UKE behandelt worden und 1999 an den Spätfolgen gestorben.

Mehr als 200 PatientInnen hatten durch die Bestrahlung am UKE schwere Strahlenschäden erlitten. Sowohl in der UKE-Strahlentherapie als auch in der dortigen Frauenklinik waren krebskranke PatientInnen zwischen 1986 und 1990 nach der wissenschaftlich überholten „Sandwich-Methode“ sowie mit einer zu hohen Strahlendosis behandelt worden. Als das 1993 bekannt wurde, sahen sich die verantwortlichen Ärzte dem Vorwurf ausgesetzt, mit der überhöhten Strahlendosis experimentiert zu haben, ohne ihre PatientInnen darüber aufzuklären. Bei Bestrahlungen des Enddarms und der Speiseröhre etwa hatten Krebskranke schwere Verbrennungen der inneren Organe und der Haut erlitten. Bei Brustkrebspatientinnen waren zum Teil die Nervenstränge des Oberarmes verkocht. Etliche der PatientInnen sind dauerhaft erkrankt, viele inzwischen gestorben.

Der Fall von Irene S. aber ist der einzige, über den strafrechtlich verhandelt wird. Zwar hatte die Staatsanwaltschaft zunächst die Akten von rund 200 PatientInnen auf ärztliches Fehlverhalten hin untersucht. Die Ermittlungen wurden im Laufe der Jahre aber eingestellt. Zum Teil, weil die Fälle verjährt waren. Zum Teil aber auch mit dem Argument, dass die PatientInnen zwar falsch behandelt wurden – weswegen die Stadt an 133 PatientInnen oder deren Angehörige inzwischen Schadensersatz in Höhe von insgesamt rund 10,5 Millionen Euro gezahlt hat. Nicht nachzuweisen sei hingegen die zur Anklageerhebung erforderliche Kausalität zwischen der Bestrahlung und den später aufgetretenen Schäden.

Bei Irene S. waren die Schäden besonders massiv: Nach der Bestrahlung des Darmkrebses hatte sie innere Verbrennungen, Vernarbungen im Becken, Verwachsungen, eine Schrumpfung der Harnblase, Fisteln, Abzesse, Nervenschädigungen und noch einiges mehr. Dennoch hatte auch bei ihr die vorige Gerichtsinstanz, das Landgericht, für möglich gehalten, dass sie auch bei einer geringeren Strahlendosis verstorben wäre. Das aber hat das OLG anders gesehen: Die Patientin wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht oder erst sehr viel später verstorben, heißt es in dessen Beschluss, wenn sie mit niedrigeren Strahlendosen und damit dem wissenschaftlichen anerkannten Stand entsprechend behandelt und pflichtgemäß bestrahlt worden wäre.

„Die Schäden bei Irene S. waren so massiv, dass man sie nicht mehr als normales Risiko einer Strahlenbehandlung hinstellen konnte“, erklärt auch Patienten-Anwalt Michael Oltmanns. Wegen der klaren Worte des OLG geht er davon aus, dass Hübener strafrechtlich verurteilt wird. Das hätte für den Professor auch finanziell erhebliche Auswirkungen: Da das Disziplinarverfahren gegen ihn bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt ist, bezieht Hübener bis heute regelmäßig sein damaliges Chefarzt-gehalt.