: Diesmal hat Merkel verloren
Trotz Verlusten und einem historisch schwachen Resultat in Sachsen freut sich die Bundes-SPD: Denn jetzt wird die CDU für Reformbereitschaft bestraft
AUS BERLIN RALPH BOLLMANN, ULRIKE HERRMANN UND ANNA LEHMANN
Es war kein leichter Gang für CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer. „Wir haben auf ein besseres Ergebnis gerade in Sachsen gehofft“, gab der Politiker gestern kurz nach halb sieben zu. „Es hat ein hohes Maß an Verunsicherung und Protest gegeben.“ Gespalten war das Lob für den sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt, der im Wahlkampf von der Reformlinie der Berliner Parteichefin Angela Merkel abgewichen war. „Wir freuen uns mit Georg Milbradt“, kommentierte Meyer, „dass sein hohes Ansehen wesentlich zu diesem Ergebnis geführt.“ Die CDU hat in Sachsen rund 14 Prozentpunkte verloren.
Hat CDU-Chefin Angela Merkel mit ihrem rabiaten Reformkurs die Wähler vergrault? Oder waren es doch eher ihre Kritiker, darunter auch die beiden Spitzenkandidaten Georg Milbradt und Jörg Schönbohm, die mit ihren ständigen Querschüssen gegen die Berliner Linie das fatale Bild der Orientierungslosigkeit erzeugten? Von der Antwort auf diese beiden Fragen wird es abhängen, ob die Resultate aus Brandenburg und Sachsen die Stellung der Parteichefin schwächen oder stärken.
Die Partei, die im Bund opponiert, verliert bei Landtagswahlen stärker als die Regierungskoalition: Das ist ein Kunststück, das schon lange keiner politischen Formation mehr gelungen ist. Die CDU, die während des langen Sommers der Hartz-Proteste schon als Profiteurin des Volkszorns galt, wurde für die Sozialreformen mit in Haftung genommen. Da half auch nicht das Zurückrudern der Landespolitiker, die sich rhetorisch zum Teil schon in die Montagsdemos einreihten. Im Gegenteil: Der Schlingerkurs kostete die CDU auch die letzte Reputation, während Kanzler Gerhard Schröder Standhaftigkeit zur Schau stellte und damit am Ende einen Teil der abtrünnigen SPD-Anhänger wieder an die Wahlurnen brachte.
Bei der SPD herrschte gestern eine entsprechend gelöste Stimmung, trotz des Verlusts von 7 Prozentpunkten in Brandenburg und eines historisch schlechten Ergebnisses in Sachsen. Zufrieden kaute man am gutdeutschen Buffet mit Nürnberger Bratwürsten und Sauerkraut. „Die SPD kommt von unten, die CDU geht nach unten“, kommentierte Generalsekretär Klaus Uwe Benneter den gegenläufigen Trend der beiden Volksparteien.
Bevor er diesen hübschen Satz herausbrachte, musste er ein wenig überlegen, in welche Richtung die Bewegung nun eigentlich ging. Nach so vielen Verlusten für die Sozialdemokraten hätte er fast die Parteien verwechselt – aber eben nur fast. Sicherer kam dann: „Die standfeste Politik von Gerhard Schröder und Matthias Platzeck zahlt sich aus.“ Auch den Wahlkampfeinsatz des glücklosen Sachsen Thomas Jurk würdigte Benneter ausdrücklich: „Er verdient unser aller Respekt.“
Zwar wurde Heiko Maas mit keinem Wort erwähnt, der vor zwei Wochen die Saarlandwahl verloren hatte und zuvor deutlich von Schröder und Hartz IV abgerückt war. Aber die Botschaft war klar: Innerparteiliche Opposition wird vom Wähler bestraft, das sollten sich alle Abweichler merken. Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis sekundierte: „Wenn man nicht sagt, das ist nicht mein Kanzler, den kenne ich nicht, dann gewinnt man Wahlen.“
Doch die Phase der Renitenz scheint sowieso vorbei. Selbst die Parteilinke Andrea Nahles bekannte sich ungewohnt deutlich zu Hartz IV. Es sei gelungen, „der Mehrheit der Wähler klar zu machen, dass es sich dabei nicht um Willkür handelt“. Und ganz ohne Vorbehalte freute sie sich über das Ergebnis: „In letzter Zeit wurde auf unseren Wahlpartys immer nur Selters getrunken, jetzt gibt es wieder Sekt.“
Umgekehrt schien die PDS gar nicht unglücklich zu sein, dass ihre Ergebnisse hinter den Erwartungen des Sommers zurückblieben und dass sie in Brandenburg nicht an der SPD vorbeizog. So bleibt ihr eine unliebsame Debatte erspart, ob die Spitzenkandidatin Dagmar Enkelmann überhaupt eine geeignete Ministerpräsidentin wäre. „Wir haben allen Grund zur Freude“, sagte Bundesgeschäftsführer Rolf Kutzmutz, und in Potsdam echote PDS-Chef Bisky: „Ein sehr gutes Wahlergebnis.“
Zwar war der Zuwachs in Brandenburg mit mehr als 5 Prozentpunkten ungleich deutlicher als in Sachsen (plus 0,3 Prozent). Doch stärkere Freude ernteten die Ergebnisse der Sachsen-PDS, war doch Spitzenkandidat Peter Porsch durch seine Stasi-Verwicklungen zum Zitterpartner geworden. Die letzten Vorwahlumfragen sahen die PDS sogar unter 19 Prozent. Was Brandenburg betrifft, mag es manchem in der Partei sogar recht sein, dass die Sozialisten dort in den nächsten fünf Jahren kein Porzellan zerschlagen können. Denn das Hauptziel bleibe, 2006 in Fraktionsstärke in den Bundestag zurückzukehren, schwor Geschäftsführer Kutzmutz die Genossen ein.
Mitarbeit: Florian Hollenbach, Karin Losert,Cosima Schmitt