: Chinas erster Mann im Weltraum
Yang Liwei startete gestern mit dem Raumschiff Shenzhou V ins All und dürfte damit zum coolen Volkshelden werden
Auch wer kein Chinesisch spricht, sollte sich den Ausspruch merken: „Ganjue liang hao.“ Es sind die ersten Worte, die ein Chinese im All gesprochen hat. „Das Gefühl ist ganz gut“, teilte Yang Liwei damit denjenigen mit, die auf der Erde geblieben waren. Wobei seine Wortwahl überraschend cool ausfiel. Der gelernte Kampfpilot der Volksbefreiungsarmee hätte ja auch funken können: „Lang lebe das großartige Mutterland.“ So ähnlich brüllte ihm gestern Partei- und Staatschef Hu Jintao von der Abschussrampe nach: Der erfolgreiche Start von Chinas erstem bemannten Raumflug sei „eine Ehre für unser großartiges Mutterland und ein historischer Schritt des chinesischen Volkes auf seinem Weg zum Gipfel der Wissenschaft.“
Kurz zuvor war die Raumfähre Shenzhou V mit Chinas erstem Weltraumfahrer Yang an Bord aus dem Sand der Wüste Gobi Richtung Orbit abgezischt. Zehn Minuten später befand sich Yang bereits auf der angepeilten Erdumlaufbahn, auf der er noch gestern 14-mal den Globus umkreisen sollte.
Inzwischen wird der 38-jährige Yang hoffentlich wieder unter den Erdbewohnern weilen. Noch für heute früh (Ortszeit) war gestern die Landung seiner Kapsel im Grasland der Inneren Mongolei vorgesehen. Geht alles gut, ist der Taikonaut, wie in China die Weltraumpiloten genannt werden, heute so berühmt wie einst Juri Gagarin, der erste sowjetische Kosmonaut. „Wir erwarten deine triumphale Rückkehr“, kündigte Präsident Hu an.
Für Yang wird dann ein zweites Leben als Nationalheld beginnen. Bisher verlangte seine fünfjährige Ausbildung zum Taikonauten absolute Verschwiegenheit von ihm. Nicht einmal mit seiner Frau und seinem heute achtjährigen Sohn durfte Yang in den letzten Jahren über seine Arbeit sprechen. Besuchte er in dieser Zeit einmal die Eltern in seiner Heimatprovinz Liaoning in Nordostchina, war es ihm verwehrt, deren Haus zu verlassen.
Doch Yang nahm seine Aufgabe anscheinend gerne an. Laut Pekings Volkszeitung beschreiben ihn seine Kollegen als „zauberhaft hingebungsvollen“ Mann. Wobei auffällt, dass die chinesische Parteipropaganda nicht noch schwülstigere Geschichten über den Sohn einer Lehrerin und eines Landwirtschaftsökonomen zu erzählen weiß. Aber vielleicht kommt das noch: Kehrt Yang heil zurück, könnte sich jede Menge über seine Heldentaten im Weltraum erfinden lassen. Immerhin nannte Präsident Hu Yang einen „Krieger“, der ausgezogen ist, einen „jahrtausendealten Traum der chinesischen Nation“ zu verwirklichen. Ohne traumhafte Erlebnisse darf sich Yang also nicht mehr auf der Erde blicken lassen.
Mag auch sein, dass der Taikonaut bereits auf eine geplante Propagandakampagne vorbereitet ist. So minutiös, wie die chinesischen Zeitungen jetzt sein Trainingsprogramm fürs All beschreiben, von den Psychotests bis zu den Notfallübungen, dürfte eigentlich nichts dem Zufall überlassen sein. Auch ist aus den Vereinigten Staaten bekannt, dass sich dort ehemalige Astronauten zu angeblich seriösen Politikern entwickelt haben. Niemand sollte sich also wundern, wenn von Yang Liwei in China noch lange die Rede sein wird. Zumal er seinem Land schon heute ein neues Lebensgefühl vermittelt hat: „Ganjue liang hao.“ So kann es weitergehen.
GEORG BLUME