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Schwedens Atomausstieg schleicht voran

Konsenspolitik gescheitert, Barsebäck 2 geht vom Netz. Trotzdem mehr Atomstrom als vorher – AKWs effizienter

STOCKHOLM taz ■ Der Atomausstieg in Schweden geht im Schneckentempo voran. Nach dem Scheitern von Konsensverhandlungen verkündete die Regierung am späten Montag, nun werde das AKW Barsebäck 2 bei Malmö per Gesetz stillgelegt. Im nächsten Sommer soll das AKW vom Netz gehen.

Bereits 1999 war der erste Reaktor in Barsebäck stillgelegt worden. Eigentlich sollte der zweite bereits 2001 folgen, hatte das Parlament 1997 beschlossen. Doch statt das spezielle Barsebäck-Gesetz umzusetzen, hatte sich Stockholm zwischenzeitlich vom „deutschen Modell“ inspirieren lassen: In einem „Gesamtpaket“ wollte die Politik mit der Stromindustrie einen einvernehmlichen Ausstieg beschließen. Das ist nun gescheitert – offenbar weil es keine Einigung über die Laufzeiten gab. Die Industrie wollte mit bis zu 60 Jahren kalkulieren, die Regierung 35 bis 40 Jahre zugestehen. Auch eine Höchststrommenge nach deutschem Vorbild kam nicht zustande, weil die dominierenden AKW-Betreiber Vattenfall und Eon die AKW-Kapazitäten durch effizientere Technik deutlich erweitern wollen.

Die Wochenzeitung Ny Teknik hat errechnet, dass nach diesen Maßnahmen, die drei Milliarden Euro kosten, die elf verbleibenden schwedischen Reaktoren 10.907 Megawatt liefern würden – ursprünglich hatten 12 Reaktoren 9.580 Megawatt produziert. Unter dem Strich bleibt eine Zunahme von Atomstrom um fast 14 Prozent.

Mit diesem Überschuss könnte sogar fast die Schließung zweier weiterer, nämlich der beiden ältesten schwedischen Reaktoren – Oskarshamn 1 und 2 von 1972 und 1975 – ausgeglichen werden. Für deren Ende es allerdings noch keinen Zeitplan gibt. Der Wirtschaftsminister spricht von „ein paar Jahren“. Im Jahre 2010, in dem nach einer Volksabstimmung von 1980 eigentlich der letzte Reaktor stillgelegt werden sollte, dürften demnach höchstens vier der ursprünglich zwölf Reaktoren vom Netz sein.

Grund für den langsamen Ausstieg ist für die Regierung das Fehlen anderer Energieformen. Es gibt kein alternatives Energiekonzept, obwohl die Regierung als 100-prozentiger Eigentümer des größten AKW-Akteurs Vattenfall dem Konzern das hätte vorschreiben können. Doch Schweden erzeugt bislang nur ein Vierzigstel des deutschen Windstroms. Stattdessen hat man sich von dänischem und polnischem Kohlestrom abhängig gemacht. Und auch jetzt soll nach den Plänen der Regierung eine mögliche Atomstromlücke durch Erdgas oder Importstrom geschlossen werden. „Sie macht schon eine lächerliche Figur, die schwedische Energiepolitik der letzten 15 Jahre“, kommentiert Ny Teknik. „Unsere Abhängigkeit von der Kernkraft als Energiequelle ist kein bisschen kleiner geworden.“ 24 Jahre nach der Ausstiegs-Volksabstimmung.

REINHARD WOLFF

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