: „Wir haben Hemmungen, ‚Kapitalismus‘ zu sagen“
Morgen gibt es im Naturfreundehaus Kalk erstmals einen Kölner Attac-„Ratschlag“. Die Globalisierungskritiker wollen sich neue Strukturen geben und über Sozialabbau diskutieren. Worte wie Klassenkampf und Kapitalismus dürfen dabei nicht tabu sein, sagt Attac-Mitglied Heinrich Piotrowski
taz: Attac Köln lädt erstmals zu einem „Ratschlag“ ein. Warum?
Heinrich Piotrowski: In der Anfangsphase von Attac hatten wir keine oder schlecht funktionierende Arbeitskreise. Dafür war aber das Plenum immer gut besucht. Heute ist es umgekehrt. Jetzt müssen die Arbeitskreise, die zur Zeit relativ autonom arbeiten, wieder zusammenfinden, damit Attac Köln auch eine Identität als Gruppe hat. Dazu dient der Ratschlag. Da wollen wir längerfristig planen und inhaltlich diskutieren.
Um was geht es konkret?
Wir haben uns zwei Fragen gestellt. Erstens: „Kann man bei den jetzigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen von Klassenkampf reden?“ Zweitens: „Attac, die sozialen Bewegungen und der Kapitalismus – wohin soll die Reise gehen und wie?“ Man kann sich bei Klassenkampf sicher darüber streiten, ob wir noch die Arbeiterklasse im Sinne von Marx haben. Fest steht aber: Es gibt gesellschaftliche Auseinandersetzungen, ob es nun die Umverteilung von unten nach oben ist, von Süd nach Nord oder der Abbau sozialer Rechte. Darüber wollen wir inhaltlich diskutieren – wobei wir bei Attac ja nicht unbedingt zum Konsens kommen müssen.
Wir haben übrigens bewusst Worte genommen wie Klassenkampf oder Kapitalismus. Sie stehen in der FAZ, aber wir Linke haben oft Hemmungen, solche Begriffe zu benutzen. Das müssen wir ändern.
Zielt die Frage nach Klassenkampf auch auf die eigenen Aktionsformen?
Ja und nein, wir wollen auf dem Ratschlag vor allem inhaltlich arbeiten. Konkrete Aktionen werden am Abend besprochen.
Wer kann zum Ratschlag kommen?
Alle, die mit uns auf eine solidarische Art und Weise diskutieren wollen, sind herzlich willkommen.
Ist die Organisation von Attac Köln auch Thema?
Ja, wir werden wieder einen offiziellen Koordinierungskreis wählen. Wir müssen uns wieder Strukturen mit Verantwortlichkeiten geben, auch für Ansprechpartner von außen.
Attac hatte auch bisher schon Arbeitskreise, Plenum und Ko-Kreis. Wieso muss das neu beschlossen werden?
Tatsächlich gab es solche Beschlüsse vor drei Jahren in ähnlicher Form schon mal. Nur ist Attac seither gewachsen. Wir haben mittlerweile 450 Mitglieder in Köln, nicht mehr 30 oder 40. Deshalb ist auch Bedarf da, die Strukturen neu zu diskutieren.
Das Plenum soll nur noch bei „Bedarf“ tagen. Gefährdet das nicht die Kontinuität?
Nein, Plena sollen mindestens alle zwei bis drei Monate stattfinden. Das nächste ist für den 28. Oktober geplant, zum Thema Grundsicherung.
Gibt es inhaltliche Streitpunkte?
Die großen inhaltlichen Auseinandersetzungen haben wir bei Attac nicht mehr, auch bundesweit nicht. Wir müssen nicht mehr darüber diskutieren, ob wir IWF und Weltbank abschaffen oder reformieren wollen. Wir wissen, dass es dazu unterschiedliche Positionen gibt, und können damit leben.
In den nächsten fünf Jahren werden wir ohnehin nicht in Versuchung kommen – bedauerlicherweise –, die Weltbank zu reformieren oder abzuschaffen. Aber wir können mit beiden Meinungen gegen die Politik von IWF und Weltbank agieren.
Womit wird sich Attac Köln in nächster Zeit beschäftigen?
Im Wesentlichen mit Sozialabbau. Wir beteiligen uns an den bundesweiten Herbstaktionen. Für die Großdemonstration am 6. November vor der Agentur für Arbeit in Nürnberg diskutieren wir, Busse aus Köln zu organisieren. INTERVIEW: DIRK ECKERT
Attac-Ratschlag: Sa ab 11 Uhr, abends Party, Infos: www.attac-koeln.de