: Die Ems wird weiter gestaut
Es war ausgeschlossen, jetzt wird es genehmigt: Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz erlaubt der Papenburger Meyer-Werft zwei außerplanmäßige Sommerstaus zur Überführung ihrer Schiffe
Die Papenburger Meyer Werft hat den Sprung von Segelschiffbau zum Eisenschiff geschafft. Ab den 50er Jahren spezialisierte sich das Unternehmen auf den Bau von Fähren und Gastankern, bis Meyer in die ökonomische Nische des Kreuzfahrtschiffsbaus einstieg. Diese Vergnügungsdampfer wurden immer größer. Heute arbeitet das Unternehmen relativ umweltfreundlich auf technisch hohem Niveau und agiert weltweit. Einziges Problem: Der Standort verlagerte sich an die Ems, es wurden dreistellige Millionenbeträge in Werfthallen und Vorhäfen investiert. Die Ems wurde sukzessive für Meyer begradigt, kanalisiert, vertieft. Politische Freunde räumten Meyer alle Hindernisse aus dem Weg – und Meyer musste keinen Pfennig dazubezahlen. SCHU
VON THOMAS SCHUMACHER
Und die Ems wird doch aufgestaut, sogar mitten im Sommer. „Wir haben es uns nicht leicht gemacht, glauben aber, dass die beiden Abweichungen vom bisherigen Planfeststellungsbeschluss vertretbar sind“, sagte Franz-Josef Sickelmann als Leiter des Genehmigungsverfahrens für die Emsstaus im Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) gestern in Oldenburg. Die Genehmigung ermöglicht es, die Ems in diesem Juni und im Sommer 2011 durch das Stauwerk bei Gandersum/Emden um 2,20 Meter zusätzlich aufzustauen. Damit kann die Meyer Werft fristgerecht zwei Luxusliner aus Papenburg in die Nordsee überführen. Der Landkreis Emsland hatte diese Ausnahmeregelungen für die Werft beantragt.
Bereits bei zwei Probestaus 2008 war es zu scharfen Kontroversen zwischen Naturschützern und dem NLWKN gekommen. Beide Seiten interpretierten die gesammelten Daten unterschiedlich. Meyer nutzte derweil einen der Probestaus, um ein Vergnügungsschiff in die Nordsee zu fädeln.
Die jetzige Genehmigung der Sommerstaus für 2009 und 2011 überrascht niemanden. Die Meyer-Werft baut regelmäßig größere Schiffe als die Ems erlaubt und übt dann politischen Druck aus, damit der Fluss ihren Bedürfnissen angepasst wird. „Wir müssen im Wettbewerb einen Schritt voraus sein. Der Markt bestimmt unsere Politik“, meint Werftsprecher Peter Hackmann lakonisch. Kein Ministerpräsident, ob CDU oder SPD, hat es bislang gewagt, sich gegen die Forderungen der Traditionswerft zu stellen.
„Entgegen allen Behauptungen hat es nie konkrete Angebote aus der Politik gegeben, unser Unternehmen an die Küste nach Emden zu verlagern“, behauptet Hackmann. Dann wäre das leidige Überführungsproblem gelöst und die Ems wäre gerettet. „Die Werft selbst hat aus verschiedenen Gründen überlegt nach Danzig, Philadelphia, Rügen oder Eemshaven umzuziehen“, erklärt der Meyer-Pressesprecher. Dann nämlich, wenn sie an anderen Standorten bessere Bedingungen bekäme. Bislang war das nicht nötig. Neben dem VW-Werk in Emden und dem Handelsunternehmen Bünting in Leer ist die Papenburger Werft mit 2.500 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber der Region.
Legendär ist ein Foto mit Bernhard Meyer und seinem Betriebsratsvorsitzenden in einer Lokalzeitung Ende der 90er Jahre. Dort zeigt Meyer auf den Emspegel und verspricht, keine Schiffe zu bauen, die mehr Fahrwassertiefe verlangen als 7,20 Meter.
Die ständigen Ausbaggerungen der Ems erhöhen die Gefahr von unterspülten Deichen. Kurioserweise ist gerade das Bauwerk, das formell zur Sturmflutabwehr gebaut wurde, aber nur Meyer nützt, das Stauwerk bei Gandersum, zur Gefahr geworden. Vor zwei Jahren führte eine fehlerhafte Bedienung während einer Sturmflut zur Überflutung des Emder Hafengeländes.
Tiefer geht es nicht mehr, sagen auch die die Wasser- und Schifffahrtsämter. Aber die Meyer-Werft legt noch einen drauf: Ab 2013 möchte das Unternehmen die Ems von nicht mehr nur auf 2,20 Meter, sondern bis auf 2,70 Meter über dem normalen Pegelstand aufstauen lassen. Der Antrag dafür ist bereits beim NLWKN gestellt, liegt dort aber derzeit in der Schublade und wird nicht bearbeitet. Techniker warnen nämlich vor solch einem Super-Stau: Das Emsstauwerk sei in seiner jetzigen Form für diese Höhe nicht ausgelegt. Muss man das Bauwerk also komplett abreißen und neu bauen? Franz-Josef Sickelmann vom NLWKN lacht gequält: „So weit wird es vielleicht nicht kommen.“ Was die Alternative ist, sagt er nicht.