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Archiv-Artikel

Kessel müssen jetzt raus

Ab November sind für Heizanlagen bis 25 Kilowatt Leistung nur noch reduzierte Abgasverluste erlaubt: 11 Prozent. Stellt der Schornsteinfeger höhere Verluste fest, muss der Kessel saniert werden

VON ANDREAS LOHSE

Ab nächstem Montag müssen alle Heizkessel neue Abgasgrenzwerte für hochgiftige Gase wie Kohlenmonoxid und Stickoxide einhalten. Dann nämlich enden endgültig alle bisherigen Übergangsfristen der „Ersten Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes“ (1. BImSchV).

Die Verordnung räumte den Heizanlagen in den letzten Jahren eine Schonfrist bis 1. November 2004 ein. Kessel, die die Grenzwerte um 3 oder mehr Prozentpunkte überschritten, mussten schon 2001 gewechselt oder entsprechend gewartet werden. 2002 lief der Termin für Heizungen ab, die die Grenzwerte um 2 Prozentpunkte verfehlten.

In Deutschland sind nach Angaben der Berliner Energie-Agentur derzeit etwa 1,4 Millionen Ölheizungen und fast 900.000 Gasfeuerungsanlagen über 24 Jahre alt und damit erneuerungsbedürftig. Bei den aktuell steigenden Rohölpreisen wird der Betrieb solcher Kessel-Oldies nicht nur zur Kostenfalle. Deutschlands Haushalte emittieren seit Anfang der 90er-Jahre jährlich etwa 140 Millionen Tonnen Kohlendioxid. 90 Prozent davon entfallen auf die Raumwärmebereitstellung.

In der Hauptstadt startete deshalb die Energie-Agentur gemeinsam mit dem Berliner Gasversorger Gasag eine Kampagne und fragt: „Wer hat die ältesten Kessel der Stadt?“ Die Gewinner erwartet modernste und Kosten sparende Heiztechnik im Gesamtwert von 50.000 Euro. „Durch die Erneuerung alter Heizungsanlagen können die klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen in erheblichem Umfang reduziert werden“, so Schirmherrin Ingeborg Junge-Reyer, Senatorin für Stadtentwicklung des Landes Berlin. Deadline für das Kessel-Casting ist der 5. Dezember. Die sieben ältesten Heizkessel Berlins in der Leistungsklasse bis 30 Kilowatt (Einfamilienhäuser, kleine Mehrfamilienhäuser) werden durch neue im Wert von je rund 3.000 Euro ersetzt. Als Sonderpreise gibt es Gebäude-Energiechecks sowie eine Solaranlage im Wert von über 5.000 Euro zu gewinnen.

Der Löwenanteil der Verluste in alten Kesseln entfällt auf Abgas, das bei öl- oder gasbetriebenen Standardheizkesseln noch sehr heiß durch den Kamin strömt. Daher legt die Verordnung Grenzwerte für den Abgasverlust fest (Paragraf 11). Für kleine Kessel, die zwischen 4 und 11 Kilowatt leisten, ist eine einmalige Messung dieses Wertes vorgeschrieben. Heizungen mit mehr als 11 Kilowatt Nennleistung müssen jährlich untersucht werden. Dies erledigen die Schornsteinfeger.

Ein Niedertemperaturkessel, bei dem die Abgastemperaturen weniger als 160 Grad Celsius betragen, hat Abgasverluste um 7 Prozent und hält die gesetzlichen Vorgaben spielend ein. Für jeden Prozentpunkt weniger Abgasverlust, so hat der Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks errechnet, lassen sich im Jahr 135 Liter Öl oder 175 Kubikmeter Gas sparen (bei einem 18-Kilowatt-Kessel).

Zum 1. November stehen allerdings keine gesonderten Prüfungen an. Heizungen, die erst im Mai oder gar im September 2005 gemessen werden, bekommen somit noch einen Aufschub. Ergibt die turnusgemäße Messung nach dem 1. November, dass die Anlage den 11-Prozent-Grenzwert verfehlt, wird dies dem Betreiber mitgeteilt. Der hat dann sechs Wochen Zeit, die Heizung warten zu lassen oder auszuwechseln. Anschließend schaut der Schornsteinfeger zur Wiederholungsmessung vorbei. Er gibt auch die Wiederholungsmessung, dass der Grenzwert nicht eingehalten wird, kommt es seitens der zuständigen Behörde, die je nach Bundesland in einem anderen Amt angesiedelt sein kann, zu einer „Anhörung“, später zur „Anordnung“: die Aufforderungen an den Heizungsbesitzer, tätig zu werden. Beides wird üblicherweise mit einer Frist von wenigen Wochen verbunden. Geschieht noch immer nichts, könnte ein Zwangsgeld fällig sein.

Das Betreiben einer Heizung, die einen zu hohen Abgasverlust aufweist, ist eine Ordnungswidrigkeit. Diese kann theoretisch mit einem Bußgeld bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Als allerletztes Mittel legt die zuständige Behörde die Heizanlage still.

Bei Härtefällen können die Behördenvertreter aber auch ein Auge zudrücken – was von der Verordnung gedeckt ist. Auf Antrag werden Ausnahmen dann zugelassen, wenn die Anforderungen durch einen „unangemessenen Aufwand“ oder in „sonstiger Weise“ zu einer „unbilligen Härte“ führen würden. Unter die Ausnahmeregelung könnten etwa Hausbesitzer fallen, die das Gebäude im nächsten Jahr sowieso sanieren wollen. Unsinnig wäre es da, jemanden zu zwingen, den Kesseltausch vorzuziehen.

Wer eine Heizung besitzt, die von einer Solarwärmeanlage unterstützt wird, braucht sich um die Abgasverluste übrigens keine Sorgen zu machen: Solche als „bivalente Heizungen“ bezeichneten Systeme sind laut Immissionsschutzverordnung von den gesetzlich vorgesehenen Messungen durch die Schornsteinfeger befreit.

Den Wortlaut der Bundesimmissionsschutzverordnung findet man im Internet auf der Seite des Bundesumweltministeriums unter www.bmu.de/de/1024/js/download/b_bimsch1.Angaben zu bivalenten Heizungen findet man in Paragraf 2 Satz 2, Paragraf 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, und in Paragraf 15 Absatz 1.Die Unterlagen für den Berliner Wettbewerb gibt es bei den dortigen Schornsteinfegern, Handwerksbetrieben und unter www.kessel-casting.de.