Wasser und Wein

Das steirische Thermenland besteht aus zahlreichen Bädern, die wohl bekannteste ist die Hundertwassertherme von Blumau. Wellness-Kultur und Gourmet-Tourismus beleben die Region

VON RALF LEONHARD

Blumau sieht aus wie eine Spielzeugstadt aus dem Märchenbuch. Da erheben sich güldene Zwiebeltürmchen über putzigen bunten Fassaden, an denen keine gerade Linie zu erkennen ist. Kein Fenster gleicht dem anderen, aus den Dächern wachsen Bäume, und von den Wasserflächen, die sich um die Gebäude schmiegen, steigt der Dampf auf.

Die 1997 eröffnete Thermenlandschaft bildet den Höhepunkt des Schaffens von Friedensreich Hundertwasser, der sich immer als Architekt verstand. Ästhetische Kriterien waren dem Wiener Künstler ebenso wichtig wie ökologische. Heute gilt die Anlage als Juwel der Thermenregion Oststeiermark.

Das Gesamtkunstwerk ist noch ein work in progress: das maßstabgetreue Modell, das Besuchern gezeigt wird, enthält bereits das Schneckenhaus, dessen Spiralform sich am Vorbild in der Natur orientiert. Außerdem sollen noch zwei so genannte Augenschlitzhäuser, deren Fassaden wie Augen aus dem Hang lugen, gebaut werden.

Vor dem Eingang steht ein Brunnen, der aus drei verschiedenfarbigen Steinskulpturen besteht. Sie symbolisieren die drei Heiligen Könige Kaspar, Melchior und Balthasar, die den drei hier erschlossenen Quellen ihren Namen geben. Zwei dieser Quellen haben mineralischen Charakter, die dritte ist nur heiß und wird zur Beheizung der Anlage sowie zur Reinigung der Quellen benutzt. Die Vulkania-Quelle, die aus mehr als 2.800 Metern Tiefe hervorschießt, ist die stärkste Heilquelle im steirischen Vulkanland. Ein Bad in den Vulkania-Becken wird bei jeder Art von Haut- und Stoffwechselkrankheiten empfohlen. Die heißeste der Quellen sprudelt mit 110 Grad Celsius aus dem Boden. Sie wurde 1978 entdeckt, als die Österreichische Mineralölverwaltung nach Erdöl bohrte. Enttäuscht, dass nur heißes Wasser gefunden wurde, ließ sie das Bohrloch zubetonieren.

Damals wurde rund 80 Kilometer weiter südlich, in Bad Radkersburg, das erste moderne Thermalbad der Steiermark eingeweiht. Radkersburg, einst von Böhmenkönig Ottokar II. als Befestigung gegen die Magyaren errichtet und später als Trutzburg gegen die Türken ausgebaut, ist die südlichste Gemeinde Österreichs. Die slowenische Grenze verläuft mitten durch die Stadt. Einige Bauern, die so genannten Doppelbesitzer, haben sogar noch Weinberge auf der anderen Seite, die sie dank eines Abkommens auch nutzen durften, als Jugoslawien eine Volksrepublik war. Im Thermalbad gibt es neben dem Wellnessbereich ein Kurzentrum, dessen Mineralwasserkuren vor allem von Nierenpatienten helfen sollen.

Das steirische Thermenland besteht aus den Bädern Waltersdorf, Blumau, Loipersdorf, Gleichenberg und Radkersburg. Die unspektakuläre Landschaft des Alpenvorlandes mit ihren sanften Hügeln, ihren Weingärten, Obstgärten und Kürbisfeldern hat einen eigenen Charme, der auch Frischluftmuffel zum Wandern verführt. Wenn es regnet oder der Wind zu heftig bläst, winkt eine der vielen Buschenschanken, in denen lokaler Wein mit bodenständiger Kost serviert wird.

Bad Waltersdorf ist das jüngste unter den Thermalbädern. Hier hat die Gemeinde drei Privatinvestoren hereingeholt. Angeschlossen an die öffentliche Therme ist nur das Thermenhotel. Der exklusive Steirerhof auf dem Berg, dessen gediegener Luxus auch seinen Preis hat, das auf Familien und Gesundheitstouristen spezialisierte Bioquellenhotel und das Hotel Paierl, in dem fernöstliche Behandlungen angeboten werden, haben eigene Thermenbereiche, Fitnessräume und Saunalandschaften. Die meisten Häuser bieten Inklusivtarife an, die alles außer Alkohol enthalten. Deutlich billiger kann man wegkommen, wenn man in einer der Privatpensionen absteigt, die Fremdenzimmer schon unter 20 Euro pro Pension und Nacht offerieren.

Dem Trend zu Kurzurlauben folgend verweilt der durchschnittliche Thermengast zwischen drei und vier Tagen. Deswegen kommen bisher mehr als 90 Prozent der Wellnessurlauber aus Österreich. Nur in Blumau ist es gelungen, den Anteil der Gäste aus dem Ausland auf ein Viertel zu steigern. Barbara Thaler vom Regionalverband Steirisches Thermenland verspricht sich zunehmend Badeurlauber aus Deutschland, wenn zusätzliche Billigflüge nach Graz einen Wochenendabstecher auch für Urlauber aus Berlin und dem Rheinland erschwinglich machen.

In allen Thermen wird der heimische Wein gezielt gefördert. „Wir führen gar keinen französischen Wein“, sagt Hans-Peter Schroff, Direktor der Therme Blumau, selbstbewusst. Tatsächlich sind die Weine aus der Region so qualitätsvoll, dass sie den Vergleich mit französischen oder italienischen Edeltropfen nicht scheuen müssen. Der seit 10. November ausgeschenkte Jungwein, Junker genannt, ist ein besonders fruchtiger Weißwein, der landauf, landab auch bei eigenen Verkostungen offeriert wird.

Berühmt ist auch das steirische Kürbiskernöl, das man bei fast jedem zweiten Bauern ab Hof kaufen kann. Das Geheimnis der kalt gepressten Öle liegt darin, dass sie das Fruchtaroma erhalten. Sogar beim Traubenkernöl kann man im Geschmack zwischen Rotem und Weißem unterscheiden. Unter den Edelbränden ist die Hirschbirne für die Region typisch.

Ohne die Entwicklung des Gourmet-Tourismus, den Aufschwung der Wellness-Kultur und die Organisation von Feinkost-Vermarktungsnetzwerken wären Familienbetriebe wie Fandler, die Retter-Schnapsbrennerei, die Vinothek Fink oder die Vulcano-Fleischwarenmanufaktur, die die besten luftgetrockneten Schinken herstellt, kaum überlebensfähig.

Steirisches Thermenland: www.thermenland.at