: Erst Qi Gong, dann Kulturrevolution
Die Vereinigung europäischer Kulturzentren „Trans Europe Halles“ lud zum Treffen in der Tempelhofer Ufa-Fabrik. Kultureller Austausch und die Frage nach dem Verhältnis von Kultur und Nachhaltigkeit standen dabei im Vordergrund
Qi Gong am Morgen, Diskussionsforen bis in den späten Vormittag hinein und schließlich das Deutsche Theater und der Tränenpalast als weitere Abendprogramme. Vier Tage lang trafen sich unter dem Motto „The Art of Crossing Boarders“ Mitglieder und Interessierte der Vereinigung europäischer Kulturzentren „Trans Europe Halles“ in der Ufa-Fabrik. In den Räumlichkeiten der bereits seit 1979 als internationales Kulturzentrum betriebenen ehemaligen Ufa-Filmstudios in Tempelhof kamen dabei nicht allein die Vertreter von über dreißig Kulturzentren aus ganz Europa, unter anderem aus Holland, der Slowakei und dem Baltikum, bis zum Sonntag zusammen. Man lebte auch deren alternativen Mythos – zum Teil jedenfalls, ging doch das Programm über die gemeinsamen Yogasitzungen hinaus.
Heute interessieren Kulturfabriken und ihre Macher die Konzepte zur Kulturfinanzierung und die Projekte für erfolgreiche Kulturarbeit mit breitem Spektrum. Für Berlin, so die Veranstalter, stehen dafür exemplarisch das Gelände der Arena in Treptow und der RAW-Tempel auf dem einstigen Reichsbahn-Ausbesserungswerk. Er diente als Beispiel für die erfolgreiche soziokulturelle Wiedererschließung von stillgelegten Industriekomplexen.
Schwerpunkt des Treffens indessen bildete ein Symposion mit dem Titel „Kultur trifft Nachhaltigkeit“. Dabei wurde die Frage aufgeworfen, welche Rolle den soziokulturellen Zentren in der Entwicklung und Unterstützung einer Politik der Nachhaltigkeit zukommen könne. Für Kirsten Bahr, Mitorganisatorin des Treffens, sind diese „Modelle, die beides zusammenbringen, ein neuer Ansatz.“ Dementsprechend müsse man sich auch in der Zukunft darauf verständigen, wo die Berührungspunkte von kultureller Arbeit und nachhaltiger Politik liegen.
Die Umsetzung nachhaltiger politischer Konzepte sei keine Frage „technokratischen Umweltschutzes“, sondern erfordere vielmehr Arbeit in Bereichen der „Psychologie, Soziologie, Kultur und Kunst“, erklärte Hermann Ott vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Die Rolle kultureller Einrichtungen liege dabei in dem Bestreben, einen Wertewandel mit einzuleiten. So forderte Edgar Göll vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung von den soziokulturellen Zentren gar den Anstoß zu einer „Kulturrevolution“ – zu einem Wechsel „von der Wegwerf- zur Wertschätzungsmentalität“.
Den Startschuss zur Kulturrevolution vermochte das Treffen in der Ufa-Fabrik zwar noch nicht zu geben. Doch der rege Austausch der Teilnehmer sorgte dafür, dass die Veranstaltung ihrem Motto „Die Kunst, Grenzen zu überqueren“, gerecht wurde.
JAN BAKELS