: „Ein Wahlprogramm von unten“
Kölns SPD-Chef Jochen Ott erklärt im taz-Gespräch, wie seine Partei die Stadt aus den Veedeln heraus handlungsfähig machen will. Und verspricht, im Falle eines Wahlsiegs das Geld besser zu verteilen
interview PASCAL BEUCKER und SEBASTIAN SEDLMAYR
taz: Herr Ott, die SPD stellt an diesem Samstag in Kalk ihr Kommunalwahlprogramm vor. Welcher Punkt ist Ihnen am wichtigsten?
Jochen Ott: Dass wir die Stadt dezentral verstehen. Wir müssen begreifen, dass man eine Millionenstadt nicht alleine aus einem zentralen Rathaus heraus regieren kann, sondern dass die Menschen und Ressourcen in den Stadtteilen aktiviert werden müssen.
Was heißt das denn konkret?
Wir haben versucht, einen neuen Politikstil anzufangen. Die Ortsvereine sind massiv eingebunden worden. Mehr als 100 Leute haben an dem Entwurf unseres Kommunalwahlprogramms mitgeschrieben. Bis zur Verabschiedung im März wird es noch viele breite Diskussionsrunden geben. Dieses Programm kommt also erstmals von unten. Das wünsche ich mir auch für die Stadt. Wenn die Menschen in den Veedeln mitentscheiden, kommen sie und bringen sich ein.
Ausgerechnet die SPD als Partei der Basisdemokratie? Das wäre mal etwas ganz Neues.
Die SPD wird die Partei der Veedel.
Zukünftig soll der Rat also nur noch repräsentieren und die Bürger im Veedel per Bezirksentscheid entscheiden?
Grundsätzlich muss man in einer parlamentarischen Demokratie davon ausgehen, dass das Parlament das letzte Wort hat. Aber meine Vision ist, die Stadt aus den Veedeln heraus wieder handlungsfähig zu machen. Die Bezirksvertretungen müssen mehr in den Entscheidungsprozess eingebunden werden. Was die Bürgerbeteiligung angeht, muss man natürlich überlegen, welches System angemessen ist. Die Erfahrung zeigt, dass es auch kleine Interessengruppen gibt, die versuchen, ihre Positionen lautstark durchzubringen, aber nur eine Minderheitsmeinung in dem Stadtteil repräsentieren.
Ein solches „Interessensgrüppchen“ war in den 1990er Jahren auch die Bürgerinitiative gegen die Müllverbrennungsanlage. Hätte die Politik besser auf sie gehört, wäre sowohl der Stadt als auch der SPD viel erspart geblieben. Sollte solches politisches Engagement nicht unterstützt werden?
Doch, ich will mich nur nicht darauf festlegen lassen, wie das im Einzelnen aussehen soll. Ich bin Historiker und ich habe aus der deutschen Geschichte gelernt. Wir haben zwar eine gefestigte Demokratie, aber wir müssen auch aufpassen, über welche Fragen von wem entschieden wird. Es wird in keinem Kölner Stadtteil ein Votum für eine forensische Klinik geben. Aber ich bin aus menschlichen Gründen der Auffassung, dass ein Staat sich auch um psychisch kranke Straftäter kümmern muss.
Was will die SPD konkret anders machen als die CDU? Soll zum Beispiel der KölnPass wieder eingeführt werden? Können Sie ausschließen, dass bei einer sozialdemokratischen Beteiligung an der Stadtregierung die GAG-Privatisierung wieder auf die Tagesordnung kommt?
Wir brauchen die GAG als wohnungspolitisches Steuerungsinstrument. Sie soll nicht privatisiert werden. Da wird die SPD nicht plötzlich ihre Meinung ändern. Dass es den KölnPass in der einen oder anderen Form wieder geben muss, ist klar. Denn hier ist auf Kosten sozial Benachteiligter gespart worden. Schwarz-Grün betreibt mit der Kürzung bei Betreuungseinrichtungen Parteipolitik auf dem Rücken der Kinder. Wir wollen keinen sozialen Kahlschlag in dieser Stadt
Die Kassen Kölns sind leer. Wo wollen Sie sparen?
Ich kann nur sagen, in welche Richtung es gehen soll. Es wird eine Evaluation geben müssen nach der Maßgabe: Was ist grundsätzlich wichtig für die Stadt? An dieser Evaluation müssen auch die Bürger teilhaben. Außerdem: Im System ist noch viel Geld, das falsch verteilt wird.
Wem wollen Sie denn Geld wegnehmen?
Wenn ich jetzt sage, wir nehmen diesem und jenem Geld weg, wäre das kontraproduktiv. Da hätten wir nur eine Riesendiskussion.
Wäre das nicht ehrlicher?
Nein, das wäre nicht ehrlicher. Ich maße mir nicht an, zum Beispiel über eine soziale Einrichtung in dieser Stadt zu sagen, dass sie schlecht arbeitet. Aber die Menschen vor Ort können das beurteilen. Wir müssen die Menschen vor Ort befragen und aus den Veedeln heraus unsere Entscheidungen entwickeln.
Bis zur letzten Kommunalwahl hat die SPD die Stadtpolitik bestimmt – wie man spätestens seit dem Müll- und Spendenskandal weiß: mit einem System des Gebens und Nehmens zu Lasten der Bürger. Müssen sie nicht befürchten, dass es bei einem SPD-Wahlsieg wieder so wird?
Tatsächlich hat mangelndes Unrechtsbewusstsein den Politikstil einer Generation geprägt, die über viele Jahre die Geschicke dieser Stadt bestimmt hat – egal ob schwarz oder rot. Aber die SPD hat ihre Erneuerung hinter sich gebracht. Bei der CDU hingegen ziehen weiterhin Bietmann und Blömer die Strippen. Da fehlt der notwendige Bruch.
Können Sie dann auch ausschließen, dass einer der Empfänger der fingierten Spendenquittungen auf der nächsten SPD-Ratsliste stehen wird?
Ja, das kann ich ausschließen.