piwik no script img

Archiv-Artikel

Selektion statt Wahlfreiheit

Wer an der Uni Bremen studieren will, muss dafür in Zukunft gute Gründe vorweisen können: In stark nachgefragten Fächern können die Professoren jetzt 80 Prozent der Erstsemester selbst aussuchen. AStA kritisiert „Studierendenbeschimpfung“

Bremen taz ■ Das Abiturzeugnis allein wird in Zukunft nicht mehr genügen, um an der Uni Bremen studieren zu können. Der Akademische Senat hat sich gestern im Grundsatz auf ein Verfahren geeinigt, mit dem die Uni ihre Studienbewerber künftig selbst ausgewählt.

Möglich wird dies durch einen Beschluss der Wissenschaftsdeputation vom vergangenen Freitag. Er räumt allen Hochschulen im Land Bremen das Recht ein, in zulassungsbeschränkten Studiengängen künftig bis zu 80 Prozent der Studierenden selbst auszuwählen. An der Uni Bremen betrifft das neben Biologie, BWL, Jura oder Psychologie auch die Fächer Behindertenpädagogik, Germanistik sowie die Kunst- und Kulturwissenschaft.

Zunächst einmal müssen ab sofort alle Anwärter auf einen Studienplatz in Bremen ein formalisiertes Bewerbungsschreiben einreichen, so die Dezernentin für Studentische Angelegnheiten, Christina Vocke. Aus ihm soll hervorgehen, welche Grundkenntnisse die AbiturientInnen mitbringen, welche Motivation sie antreibt und wie ihre beruflichen Vorstellungen aussehen.

Wer Französisch, Spanisch oder Englisch studieren will, wird nachweisen müssen, dass er der entsprechenden Landessprache mächtig ist. Bisher waren derartige Prüfungen allein künstlerischen Studiengängen vorbehalten.

Alle jene Fächer, die nach Vockes Aussage „völlig überlaufen sind“, können sogar aus einem ganzen Katalog von Auswahlverfahren schöpfen. Bisher gab es in solchen Studiengängen den Numerus Clausus (NC). Der hatte zur Folge, dass nur Psychologe werden konnte, werden schon die Schule mit einer eins verlassen hat. Nun könnten hier allgemeine IQ-Tests eingeführt werden, aber auch fachspezifische schriftliche Tests oder Bewerbungsgespräche. Außerdem können die Einzelnoten aus dem Abiturzeugnis besonders gewichtet werden, ebenso die Ergebnisse der formellen Bewerbungsschreiben.

Welche Kriterien sie auswählen, wird dabei den einzelnen Fachbereichen vorbehalten sein. Betroffen sind an der Uni Bremen neben der Psychologie oder der Kulturwissenschaft unter anderem die Germanistik sowie die Medieninformatik. In diesen Fächern gebe es oft zehn Bewerber pro Studienplatz, so Vocke.

Gleichzeitig wird selbst in diesen Studiengängen die Durchschnittsnote im Abiturzeugnis „weiterhin ausschlaggebend“ sein, betont die wissenschaftspolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion, Silvia Schön. So oder so: Die Abinote muss mehr zählen als alle anderen Auswahlkriterien. Nur unter dieser Bedingung können auch die Grünen einer Selbstauswahl der Studierenden durch die Hochschulen zustimmen. „Wir halten nichts von einem allgemeinen Studierfähigkeitstest“, so Schön.

Deutliche Kritik kam von Seiten der Studierenden. Von „Studierendenbeschimpfung“ sprachen die vier studentischen VertreterInnen im Akademischen Senat, vom „aalglatten Superabiturienten“, der da gesucht werde. Anlass gibt ihnen die Präambel der gestern diskutierten Satzung. Dort wird aufgezählt, welche Eigenschaften die Studienbewerber mitbringen sollen: Kompetent soll sie sein, wissbegierige, selbstbewusst, leistungsbereit und eigenverantwortlich.

Solche AbiturientInnen zu finden, kostet viel Aufwand. Den aber nähmen die Professoren nur auf sich, so Vocke, wenn ihr alltäglicher „Leidensdruck“ groß genug sei. Mehr Personal jedenfalls gebe es nicht. Jan Zier