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Archiv-Artikel

Sozialticket selbst gemacht

ÖPNV Gegen soziale Ausgrenzung und die Klimakatastrophe haben Bremer Aktivisten heute den „Umsonstfahrtag“ ausgerufen. Die Verkehrsbetriebe sind nicht begeistert

„Wer sich Mobilität nicht leisten kann, der wird ausgegrenzt“

Matthias Brettner, Klimaplenum

VON SEBASTIAN HOFF UND CHRISTIAN JAKOB

45,20 Euro kostet das billigste Monatsticket der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) – fast genau drei Mal soviel, wie ein Hartz IV-Empfänger für Mobilität erhält. Das ist zu teuer, findet das Bremer Klimaplenum und hat den heutigen Samstag deshalb zum „Umsonstfahrtag“ ausgerufen.

Seit Wochen hängen Poster, die den BSAG-Plakaten fast perfekt nachempfunden sind, überall in der Stadt: „Dass ich am 16. Mai in Bremen ganz umsonst Bus und Bahn fahren kann...hätt‘ ich jetzt nicht gedacht“, steht etwa darauf oder „BOG – Bequem ohne Geld“ in Anlehnung an die BSAG-Kampagne „BOB – Bequem ohne Bargeld“ mit der das Unternehmen für einen Bezahlchip wirbt.

„Wir wollen ein Zeichen setzen für öffentlichen Verkehr, den sich alle leisten können“, schreibt das Klimaplenum in seinem Aufruf zum Umsonstfahrtag. Ausgerechnet die ÖPNV-Preise seien in den letzten Jahren viel stärker gestiegen als die Kosten für die Nutzung des Klimakillers PKW. „In der Krise wird die Autoindustrie auch noch gepäppelt – wir wollen weg von der Automobilität hin zu einem menschen- und umweltfreundlicheren Verkehrssystem“, so die Aktivisten. „Wer sich Mobilität nicht leisten kann, der wird wirtschaftlich und sozial ausgegrenzt“, sagte Matthias Brettner vom Klimaplenum. Da helfe auch das vom rot-grünen Senat geplante „Sozialticket“ nicht, das dem Vernehmen nach 29 Euro kosten soll. „Illusorisch“, wie die BSAG sagt, seien ihre Forderungen keineswegs – das belgische Hasselt etwa habe schon 1997 ein Gratisticket eingeführt.

Mit Infoständen und Aktionen in den Bussen und Bahnen soll nun heute für „Gratismobilität für alle“ geworben werden.

Die BSAG zeigte sich nicht begeistert von der Aktion. Ihr Sprecher Jens Christian Meyer nannte den Umsonstfahrtag „nicht in unserem Interesse“. Das Unternehmen behalte sich rechtliche Schritte vor. Meyer bestritt Berichte, wonach Mitarbeiter der BSAG versucht hätten, Flugblattverteiler einzuschüchtern.

Die Ablehnung des Verkehrsbetriebs ist Brettner unverständlich: „Unsere Aktion richtet sich ja nicht gegen die BSAG, sondern an den Bremer Senat. Wir werben für mehr Nutzung des ÖPNV, und nicht wie die Politik, für eine Kürzung“, so Brettner.

Dass sie sich mit der Aktion strafbar machen, glauben die Aktivisten nicht. Der Umsonstfahrtag sei „lediglich angekündigt“ und rufe „nicht unmittelbar zum Schwarzfahren auf“. Dass die BSAG Einnahmeverluste erleiden werde, sieht das Plenum nicht: „Die Leute, die umsonst fahren, hätten die Bahn sonst gar nicht genommen“, sagt Brettner, der mit mehreren Hundert Teilnehmern rechnet. Den Vorwurf der „Erschleichung von Leistungen“ werde man vermeiden, indem man „mit großen Gruppen und klar erkennbar in die Bahnen einsteigen“ werde.

Laut BSAG sollen die Kontrolleure „kein Auge zudrücken“, besondere Pläne habe man für heute aber nicht. Auch die Polizei hat nach eigenen Angaben keine weiteren Vorbereitungen getroffen. Sie werde sehen was kommt und reagieren. Man werde nicht einfach „reingrätschen“, sagte ein Sprecher.