: Zäher Service dank Hartz IV
Verwirrung in der zweiten Woche von Hartz IV: Viele Altanträge sind unbearbeitet, Betroffene warten auf ihr Geld; gleichzeitig müssen die Ämter mit einem Ansturm von Neukunden klarkommen
VON PHILIPP DUDEK UND JAN ROSENKRANZ
Rund 1.000 Hartz IV-Anträge aus dem vergangenen Jahr sind im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg noch nicht bearbeitet worden. Christian Ströbele, stellvertretender Chef der Bundestagsfraktion der Grünen, spricht von einem „Skandal“. Viele Betroffene hätten ihre Anträge bereits im Oktober gestellt. „Die warten bis heute auf ihr Geld, weil die Anträge einfach verschwunden sind“, sagte Ströbele der taz.
Bei den Unterlagen soll es sich um Anträge ehemaliger Sozialhilfeempfänger für Arbeitslosengeld II (Alg II) handeln. Das Sozialamt habe es nicht geschafft, bis zum Jahreswechsel alle Anträge zu bearbeiten, so Ströbele. Wer die Unterlagen jetzt bearbeitet, sei unklar.
Auch in Neukölln gebe es eine Reihe von Fällen, die noch nicht abschließend bearbeitet seien, sagte Uwe Mählmann von der Arbeitsagentur Süd. Zahlen nannte er keine. Die Betroffenen hätten einen Vorschuss erhalten.
Die Vorsitzende des Berliner Arbeitslosenverbandes, Marion Drägsler, kritisiert, dass zahlreiche Akten „spurlos verschwunden oder einfach nicht bearbeitet“ worden seien. „Das betrifft nicht die Masse, aber es ist eine nicht wegzudiskutierende Größe“, so Drägsler.
Den Verlust von Akten bestreiten die Agenturen vehement. „Bei uns sind weder Akten verschwunden, noch suchen wir nach verschollenen Anträgen“, sagte Frank-Michael Süß, Sprecher der Arbeitsagentur Mitte. Er widersprach damit einem Bericht der Berliner Zeitung, wonach „mehrere tausend Anträge“ zum Alg II beim Transfer zwischen Sozialamt und Agentur abhanden gekommen seien. „Das ist schlicht falsch“, so Süß. „Allerdings haben wir derzeit einen Bearbeitungsstau.“ Dadurch konnten einige Gelder nicht fristgerecht überwiesen werden. Allein im Job-Center Friedrichshain-Kreuzberg seien seit Jahresbeginn etwa 2.000 neue Anträge eingegangen. Um diese und „andere noch unerledigte Vorgänge“ überhaupt bearbeiten zu können, werden übergangsweise die Agenturen Mitte und Ost auch mittwochs geschlossen.
Auch Christian Hanke, stellvertretender Bürgermeister in Mitte, bestreitet, dass Akten verschwunden seien: „Bei uns gab es keinen Aktenaustausch zwischen Sozialämtern und Arbeitsagenturen.“ Das Sozialamt sei weiterhin für ehemalige Sozialhilfeempfänger zuständig. Hier würden Alg-II-Anträge bearbeitet und entschieden. „Natürlich gibt es auch bei uns Einzelfälle, deren Anträge noch nicht bearbeitet wurden“, sagt Hanke. Wegen des großen Kundenansturms kämen die Mitarbeiter nur „schwer hinterher“.
Verzögerungen bei der Überweisung der Gelder führt Hanke auf die Arbeitszeiten der Banken zurück. „Viele Banken haben erst am 3. Januar um 12 Uhr den Überweisungsauftrag bearbeitet.“ Zahlreiche Antragssteller hätten so erst Ende der Woche Geld auf ihrem Konto gehabt.
Christian Ströbele ist damit nicht zufrieden. Er will den Ungereimtheiten auch weiterhin nachgehen. „Es kann nicht sein, dass die Betroffenen wochenlang auf ihr Geld warten müssen.“