: Einar will noch größer werden
Der norwegische Olympiasieger Ole Einar Björndalen und sein junger Kollege Lars Berger sind eigentlich Biathleten. Das hält sie freilich nicht davon ab, auch im Skilanglauf an den Start zu gehen – und demnächst auf die Jagd nach WM-Medaillen
AUS RUHPOLDINGJOACHIM MÖLTER
Lange bevor das Staffelrennen der Männer zu Ende ging am Donnerstagabend beim Biathlonweltcup in Ruhpolding, eilte der deutsche Bundestrainer Frank Ullrich zu seinem norwegischen Kollegen Roger Grubben und gratulierte. Norwegens Schlussläufer Ole Einar Björndalen hatte gerade die letzte Schießübung hinter und keinen Konkurrenten mehr vor sich, es war klar, dass er als Erster ins Ziel kommen würde. Björndalen ist ein so guter Langläufer, dass er schon verdammt schlecht schießen oder beide Ski zu Bruch fahren muss, um ein Rennen nicht zu gewinnen; und an diesem Tag hatte er tadellos getroffen. „Wie er die anderen alle düpiert hat“, schwärmte selbst Frank Ullrich, „daran erkennt man, in welcher Form er ist.“ Der deutsche Schlussläufer Michael Greis war jedenfalls gleichauf mit Björndalen auf die 7,5 Kilometer kurze Strecke gestartet – er kam zwei Minuten nach ihm als Zweiter ins Ziel, obwohl er nicht einmal in die Strafrunde musste. „Der Björndalen war gut“, sagte Ricco Groß trocken, wirklich überrascht hat ihn dessen Leistung freilich nicht mehr: „Er hat schon sehr viele souveräne Rennen abgeliefert in dieser Saison.“
Dass Ole Einar Björndalen, 30, in der Weltcupwertung dennoch nur an vierter Stelle rangiert vor dem Sprintwettbewerb am heutigen Samstag, liegt daran, dass ihm der Gesamtweltcup egal ist. Er hat die Trophäe ja schon zweimal gewonnen, 1998 und 2003, er hat überhaupt schon alles gewonnen, was ein Biathlet gewinnen kann: drei Weltmeistertitel und bei Olympia 2002 in Salt Lake City sogar alle vier Disziplinen, die angeboten wurden, nämlich die 20 Kilometer, den Sprint, die Verfolgung und die Staffel. Nun sucht der Dominator eine neue Herausforderung, und er hat sie auch schon gefunden: Björndalen will in diesem Winter nicht nur bei den Biathlonweltmeisterschaften im März in Hochfilzen mitmachen, sondern zwei Wochen zuvor auch bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf. Er muss sich zwar noch formal qualifizieren bei den norwegischen Langlaufmeisterschaften in zwei Wochen, aber das dürfte kein Problem sein. Vor Weihnachten nahm er sich eine Auszeit vom Weltcup der Biathleten und übte bei dem der Langläufer in Ramsau: Als Sechster über 15 Kilometer war er bester Norweger; auf dieser Strecke will er auch in Oberstdorf laufen, außerdem in der Staffel.
Ole Einar Björndalen ist schon jetzt einer der größten Wintersportler Norwegens dank seiner vier Olympiasiege, und wenn man weiß, welche Bedeutung der Langlauf in seinem Heimatland hat, dann kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass der Mann an seiner Legende bastelt: Der Größte will noch größer werden. Björndalen hat die Doppelbelastung Biathlon/Langlauf ja schon einmal auf sich genommen, bei den Olympischen Spielen rannte er bei den Langläufern über 30 Kilometer mit, wo er nach der späteren Disqualifizierung des gedopten Johann Mühlegg als Fünfter klassiert wurde. Aber diesmal steckt er sein Ziel höher: „Wenn man an den Start geht, will man vorne dabei sein“, sagt er, und dass er also in beiden Disziplinen Medaillen gewinnen will, mindestens. „Das hat vor mir noch keiner geschafft.“ Einar kann es schaffen, ist der Rivale Ricco Groß überzeugt: „Er ist einer der Favoriten bei beiden Weltmeisterschaften.“ Und Frank Ullrich sagt: „Das ist einfach sein Naturell, dass er immer noch versucht, einen Tick besser zu sein, dass er nicht zufrieden ist mit seiner Leistung.“
So sieht das auch Norwegens Nationaltrainer Roger Grubben: „Ich habe Glück, mit Athleten zu arbeiten, die nie zufrieden sind und sich immer ein neues Ziel suchen.“ Er hat jedenfalls nichts gegen einen Doppelstart seiner Sportler: „Die WM in Oberstdorf ist eine Herausforderung, die uns besser machen wird.“
Es ist ja nicht so, dass nur Björndalen kurzzeitig zu den Langläufern wechseln will – auch der junge Lars Berger, 25, plant einen Abstecher, und ihn halten viele Experten in Skandinavien für einen noch besseren Langläufer als Björndalen. Berger ist jedenfalls nationaler Langlaufmeister über 30 Kilometer, im Übrigen vor dem Biathlonkollegen Frode Andresen, 31. Von dem ist zu hören, dass er überlegt, bei Olympia 2006 in Turin im 50-Kilometer-Langlauf mitzumachen. Ole Einar Björndalen hat indes schon angekündigt, sich im nächsten Winter nur auf eine Sache konzentrieren zu wollen: „Bei Olympia ist Biathlon wichtiger.“