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Archiv-Artikel

Polizei muss Schmerzensgeld zahlen

Die Bremer Polizei muss 50.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz bezahlen, weil ein Mann 2002 Opfer einer rüden Attacke zweier Polizisten wurde. Sein Glück: Es gab eine Zeugin. Der Anwalt des Innensenators findet die Summe „überzogen“

Bremen taz ■ Wer Opfer von willkürlicher Polizeigewalt wird, kann sich erfolgreich dagegen wehren – vorausgesetzt, er hat einen Augenzeugen. Das wurde gestern in einem Prozess vor dem Bremer Landgericht deutlich, in dem das Innenressort am Ende einlenken musste. Ein Vergleich spricht dem aus Polen stammenden Bernd T. 50.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz zu. Der selbstständige Handelsreisende wurde 2002 Opfer einer Polizeikontrolle.

Das Ehepaar T. war am zweiten Weihnachtstag des Jahres 2002 in einem Kombi mit polnischem Kennzeichen in der Bremer Innenstadt unterwegs gewesen, als eine Polizeistreife sie wegen ihres angeblich auffälligen Fahrstils anhielt. Der Polizeibeamte Oliver K. begrüßte die beiden Fahrzeuginsassen mit polnischem Gruß – um „besonders freundlich“ zu klingen, wie er vor Gericht behauptete. Trotzdem habe T. sich „äußerst aggressiv“ verhalten. Es kam zu einem Handgemenge, aus dem der 35-jährige T. mit einem gebrochenen Arm hervorging. Seit dieser Nacht trägt der gelernte KFZ-Mechaniker eine 25 Zentimeter lange Metallplatte im linken Oberarm und ist in krankengymnastischer Behandlung.

Unter normalen Umständen hätte T. gegen die synchrone Aussage zweier Polizeibeamter keine Chance gehabt. Polizist Oliver K. wie auch sein Kollege Ralf R. bestritten jede unangemessene Gewaltanwendung. Gegen K. war Mitte der neunziger Jahre schon einmal wegen Körperverletzung im Amt ermittelt worden. Damals kam es jedoch nicht zu einer Verurteilung. Vielmehr wurde die Klägerin belangt.

Bernd T. hingegen hatte Glück: Per Zeitungsannonce fand er eine Augenzeugin. Diese hatte nach eigenen Worten die Szene beobachtet und gesehen, wie der Mann aus Polen mit gefesselten Händen zu Boden geschlagen wurde.

In der ersten Zeit nach jeder Weihnachtsnacht 2002 habe er noch nicht einmal selbstständig essen können, klagte T. gestern: „Meine Frau musste mich behandeln wie ein kleines Kind“. Noch immer habe er Mühe, auch nur eine Plastikflasche von 1,5 Litern Inhalt ohne fremde Hilfe anzuheben. Aller medizinischen Bemühungen zum Trotze werde ein dauerhafter Schaden bleiben, vermuten die Gutachter – wie groß der sein wird, könnten sie aber noch nicht abschließend beurteilen.

Das Bremer Landgericht sprach T. schon im vergangenen Februar Schadensersatz und Schmerzensgeld zu, ließ dessen Höhe aber noch offen. T. bezifferte seine Ansprüche seinerzeit auf 25.000 Euro. Gestern indes beanspruchte er bereits 50.000 Euro – als pauschale Abgeltung aller denkbaren Ansprüche.

Damit habe T. den „realistischen Boden verlassen“ konterte der Anwalt der Stadt, Gerhard Lohfeld: Die Forderung sei „vollkommen überzogen“. Lohfeld hielt bereits eine Zahlung von 20.000 Euro für „angemessen“.

Die Richter folgten mit in ihrem Vergleichsvorschlag jedoch weitgehend dem Antrag des Klägers. Die Ansprüche von T. seien

keineswegs „zu hoch gegriffen“, befand der Vorsitzende der Zivilkammer, Helmut Gass. Er schlug beiden Parteien vor, sich auf die Zahlung von 50.000 Euro zu einigen. Lohfeld schluckte: Er sei „nicht glücklich“ ob dieses Vorschlages. Am Ende musste er jedoch klein beigeben.

Nun kann T. nicht nur sein Implantat in einem bremischen Krankenhaus entfernen lassen, sondern auch weitere Forderungen geltend machen, sollte es dabei zu unvorhersehbaren medizinischen Komplikationen kommen. Die Kosten trägt die kommunale Haftpflichtversicherung der Stadt Bremen. Jan Zier