TEMPELHOF UNBESETZT : Draufschlagen
So richtig wundert sich eigentlich niemand mehr. Man wundert sich kaum noch über Polizisten, die ein paar harmlose Clowns umzingeln, draufschlagen und abführen. Man wundert sich nicht über rabiate Griffe, die so manches Mal auch Frauen von Fahrrädern mit Kindersitz schleudern. Man wundert sich auch nicht über AnwohnerInnen, die am liebsten ein weiteres Einkaufszentrum direkt vor der Haustür haben wollen, das sich optimalerweise über das gesamte Gelände Tempelhofs, also über 386 Hektar erstrecken möge, sodass viel Konsum möglich sei. Die Erinnerung an das viele Grün, das noch grüner hätte werden können, wäre dann sicher auch ganz schnell verblasst.
Immerhin aber ist zu konstatieren: Ein kleines bisschen wundert man sich dann doch über einen Polizisten, der mit einem Knie einen Tempelhofbesetzer auf den Boden drückt und in seiner Hand eine Waffe hält, mit der er auf einen anderen Demonstranten zielt. Immerhin ist man wenigstens darüber ein ganz klein wenig geschockt. Und ein ganz klein wenig findet man auch absurd, dass sich da 5.000 Menschen auf eine Grünfläche setzen wollen und die Polizei nichts Besseres zu tun hat als das, was die oben genannten Beispiele zeigen. Ein letzter Rest von Hoffnung, dass die Gesellschaft nicht komplett aufgegeben werden muss, hält sich offenbar tapfer aufrecht, sonst würde sich dieses Gefühl der Absurdität nicht einstellen.
Widersprüche, wohin man blickt: Denn man fragt sich, ob es überhaupt Sinn hat, darüber zu schreiben. Aber noch weniger Sinn hat es offensichtlich, nicht darüber zu schreiben. Denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Und die sollte auch dafür sorgen, dass wir die Taktik ändern. Und das nicht nur in Bezug auf Tempelhof. Wie und wohin: keine Ahnung. Aber immerhin waren da am Wochenende 5.000 Menschen, die sich jetzt darüber Gedanken machen. Hoffentlich. JUDITH POPPE