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Archiv-Artikel

strafplanet erde: 280 mio. leser finden diese kolumne hilfreich von DIETRICH ZUR NEDDEN

Nichts Beschwichtigendes schwingt mit, wenn es heißt: Jeder spinnt anders und meist für sich allein. Interessanter dürfte sein: Wie kommt’s? „Schätzungsweise hundert Millionen Nervenzellen verrichten im Gehirn des Menschen ihren Dienst. Hierbei kommt es nicht auf Einzelleistungen an, sondern auf Teamarbeit und somit auf Kommunikation.“ Stand in einer Zeitung, wurde vor einem Jahrfünft notiert und kürzlich hab ich den Zettel wiedergefunden.

Gesamtgesellschaftlich betrachtet und eine Wachstumsrate von kümmerlichen ein Prozent zugrunde gelegt, werden es inzwischen ein paar Millionen Nervenzellen mehr sein. Ein Prozent Wachstum, darüber lacht der Chinese Tränen. Ein Prozent Wachstum schafft, ist täglich zu hören, keine Arbeitsplätze, aber trotzdem: immer mehr Teamarbeit, immer mehr Kommunikation. Kann man ja gar nicht genug von kriegen.

Verheerende Ergebnisse hätte dagegen eine individuelle Volkszählung der Nervenzellen. „In der Großhirnrinde kommuniziert jede Nervenzelle mit zehntausenden anderen. Will man die Arbeitsweise des Gehirns verstehen, muss man sich daher näher mit den als Synapsen bezeichneten Kontaktstellen befassen.“

Eine beliebte Kontaktstelle außerhalb des in Rede stehenden Körperteils stellen die Kundenrezensionen bei amazon.de dar. Ich rief Per Olov Enquists „Großvater und die Wölfe“ auf, das ich kurz vorher gelesen hatte. Enquists mehrfach ausgezeichnetes Kinderbuch erzählt von einer unzulänglich vorbereiteten Bergtour, mit der er seine Enkel in Lebensgefahr gebracht hatte. Dass die Geschichte authentisch sein dürfte, ist aus der Widmung zu schließen: ein Dank an die Polizei und an ein Krankenhaus für die Rettung aus höchster Not. Irgendwo ist kurz vom Zweiten Weltkrieg die Rede und später treffen die Ausflügler auf Wölfe jagende Wilderer. Im Epilog erwähnt Enquist deren spätere Verhaftung und protokolliert, sie seien „aus Hannover in Deutschland“ gewesen.

Unerhört!, warnt eine Leserin: Wozu man „in einer Geschichte, die für Kinder gedacht sein soll und die sich im 21. Jahrhundert und überwiegend in der Natur abspielt, noch Deutsche als Feindbild“ brauche? „Der Autor sät in meinen Augen lediglich irrationale Ängste in Kinderherzen und hält alte Ressentiments am Leben.“ Ein anderer vergibt ebenfalls nur einen von fünf Sternen, weil „deutlich eine rassistische Neigung des Autors gegen Deutsche zu spüren“ sei. „Jeder Deutsche, der die schlechte Grammatik und die Deutsch-Feindlichkeit des Autors nicht merkt, sollte unserer Gesellschaft zu denken geben.“

Ich hatte nichts gemerkt. Und es muss Zufall sein, dass ich in der zeitlichen Umgebung dieser Funde den Pixar-Film „Monster AG“ sah und auf diesen Kommentar stieß: „Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet sollten wir alle in Panik geraten“, sagt ein Experte im TV-Sender von Monstropolis. Übrigens brauchten die Programmierer des Films, heißt es, so um die elf Stunden, um ein einziges Raster der Hauptfigur Sulley anzufertigen, „because of his 280 million individually animated hair strands“. Superlativisch-blöde Info, aber angesichts dieser Rechnung sind Synapsen-Störfälle gach kaan Wunder.