: Die Achse des Pop – von Thomas Winkler
Ferien auf dem Land
Wer traut sich, Carbonara entgegen alle Rezeptbücher mit Salami zuzubereiten? Nirwana auf Botswana zu reimen? Eine Mundorgel – oder irgendetwas, das so ähnlich klingt – zu samplen? Über Autoverbeulen an Tankstellensäule sieben zu singen? Und das alles noch in ein und demselben Song? Kirmes trauen sich. Und noch viel mehr: Die beiden Hamburger mit den fragwürdigen Pseudonymen Kir Royal und Hermes verspeisen Thunfischsalat über Hardrock-Gitarren, basteln fröhlich an der Elektronik und lieben den Rock’n’Roll, können Chansons und Clubsounds, machen Ferien auf dem Land und lassen Pferde wiehern.
In „Himbeereis am Wannseestrand“ reichen sich die oberflächliche Lyrik alter NdW-Hits und klassische deutsche Dichtkunst die Hände, dass man nur mehr die Zitate prasseln lassen möchte. Aber weil hier nicht so viel Platz bleibt, nur diese unverzichtbare Ansage: „Make It And Break It“ ist nicht nur das dritte Album von Kirmes, sondern auch das knalligste, bunteste, lustigste, vielleicht ja sogar das beste. So genau lässt sich das nicht sagen, denn für diese Platte sind die Postmoderne und der Eklektizismus ausgebrochen und wollen sich partout nicht wieder einfangen lassen. Fazit, und hier wollen wir die Künstler dann doch noch zitieren: „Lass uns grooven und endlos glücklich sein / Bei uns im Bea-Beat- Keller bleibt niemand allein.“ Dazu plärrt eine fette Orgel, Laurens Hammond bekommt einen Herzinfarkt, und das darf man sich ruhig mal trauen.
Kirmes: „Make It And Break It“ (Plattenmeister)
Heiße Jungszimmer
Immer wollten sie HipHop sein und stets sprach der Rest der Branche ihnen die Zugehörigkeit ab. So ist es denn kein Wunder, dass Fettes Brot auf ihrem neuen Album „Am Wasser gebaut“ trotzig ihr Doch-irgendwie-HipHop-Sein mal wieder reklamieren: Es beginnt mit dem fürs Genre so typischen Wir-sind-zurück-Track „Wie immer“, in dem „heiße Frauenzimmer“ ebenso vorkommen wie das genreklassische Zitat „Wir sind im Haus“, gefolgt von der aktuellen Single „Emanuela“, mit der sie auch bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest aufgetreten waren und in der ein Brot-typischer Mitgröhl-Chorus unwiderstehlich auf ein altmodisches „He – Ho“ zuläuft.
Aber ihre üblichen, Klischees sprengenden Extravaganzen hat das Hamburger Trio sich trotzdem nicht verkniffen: „Yasmin“ ist eine weicheiermäßig verklärte Erinnerung an die erste große Schulliebe, „Soll das alles sein“ dafür eine fast schon parodistische R&B-Ballade, die allerdings nicht das übliche Boy-Girl-Schema bemüht, sondern einer alleinerziehenden Mutter zur Seite springt. Und in „Falsche Entscheidung“ schließlich erklären sie sich zu „sexuell chronisch unterforderten“ Verlierern „ohne Style“, aber mit „fester Klammer vom Kieferorthopäden“ und „Sachen von C & A“.
So viel Ironie war selten im Rap und wird den Gralshütern der Szene wohl auf ewig verschlossen bleiben. Selber schuld. Der Rest hat dafür gute Laune und Fettes Brot spielen den Soundtrack zur Alles-geht-Philosophie: Hauptsache, es ist funky.
Fettes Brot: „Am Wasser gebaut“ (Fettes Brot Schallplatten/Indigo)
Das Plätzchen in der Zeitlosigkeit
Es musste wohl gesagt werden: „Manche sagen Kantriekram und andere Dudelei“, singt Nils Koppruch und ein paar Zeilen später: „Von mir aus isses bloß Musik, ich misch mich da nicht ein.“ Also ist der Country, auf den Fink festgenagelt werden, seit sie vor knapp einem Jahrzehnt erstmals einen verhangenen Hamburger Himmel erblickten, auf ihrem neuen, nun schon sechsten Album „Bam Bam Bam“ vornehmlich noch zu hören in „So fährt der Zug ab“, wo der Klang einer Steel-Guitar imitiert wird, und in den Themen der Songs: Immer sind Menschen auf „Durchreise“ (so ein Songtitel), liegt das Mädchen – wie in „Ja Ja Ja“ – gerade neben dem Protagonisten, muss im Titelsong noch erobert werden oder hat ihn bereits wieder verlassen wie in dem Stück „Dies hier ist für dich“.
Amerikas Mythen funkeln auch noch in einem gewissen Twang, mit dem die Songs daherrollen, in einem lässigen Dehnen der Gitarrensaiten, in einer hintergründigen Lakonie des Vortrags, in der symbolhaften Alltäglichkeit der Geschichten, die Koppruch erzählt und die seine Songs allgemein gültig und schon fast zu Folklore machen. Man kann also nicht gerade behaupten, Fink würden aktuelle Musik machen, die Zeitläufte kommentieren oder gar politische Positionen beziehen. Eher haben sie unbeirrt, selbstbewusst und ein bisschen starrköpfig ihr Plätzchen gefunden in der Zeitlosigkeit, im Klassikerstatus. Fink sind mittlerweile nur noch Fink und nicht mehr, aber halt auch nicht weniger, und das ganz entschieden.
Fink: „Bam Bam Bam“ (Trocadero/Indigo)