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Archiv-Artikel

Ronald McBach

Neue Musik in der Produktpalette: Auch die Bremer Bach-Wochen haben eine Nische für Globalisierungsverlierer

Von bes

bremen taz ■ Bach-Wochen gibt es fast so viele wie McDonalds-Filialen. Und sie haben auch ebenso viel mit ihren jeweiligen Standorten gemein: Ihre Existenz ist strikt an Nachfrage-Kriterien orientiert: Wo Mittelstandkids, da Schnellrestaurants, wo bürgerliche Hörgewohnheiten, da Bachwochen.

Bestes Beispiel dafür ist Bremen. Weder hat der Imperien-Gründer Johann Sebastian Bach (1685-1759) die Hansestadt oder auch nur ihr Umland je besucht, noch im Auftrag ihrer Bürger je ein Werk geschaffen. Bremen hat keine nennenswerte Bach-Pflege-Tradition, woher sollte sie auch kommen. Aber es hat Bach-Wochen, im Dom, dessen Akustik nur Schnellhörer befriedigen kann: Am Samstag gibt’s das Bach-Orgel Menü mit dem einstigen Dom-Organist Zsigmond Szathmáry, kommenden Montag steht eine Saxofon-Interpretation der Kunst der Fuge auf der Karte. Und, klar, am Karfreitag gibt’s Passion.

In der Ess-Branche steht die Globalisierung noch ganz am Anfang. In der Branche Komposition ist sie mit Einführung des Tonträgers abgeschlossen. Ihre Verlierer: Alle nach Gustav Mahler geborenen Tonsetzer. Ihre Produkte sind auf dem freien Markt keinesfalls konkurrenzfähig. Wobei die Bach-Wochen, so wie McDonalds Salate aus Bio-Anbau, auch junges Gemüse im Angebot haben: „Alte Musiksprache trifft auf neue Musiksprache“, so die PR für das Konzert am Donnerstagabend. War aber nicht so: Alte Musiksprache kam allenfalls in Aldo Clementis Einminuten-Solo „B-A-C-H“ vor – eine rasante Fingerübung auf der titelgebenden Tonfolge, von Roderick Chatwin routiniert runter gerissen. Ansonsten: Kompositionen die Querverweise, Anspielungen, Zitate nach Möglichkeit und überhaupt: jede auffälligere Bewegung zu vermeiden suchen und stattdessen das Spektrum eines lang gehaltenen Grunklangs anhand von Halb-, Viertel- und Achteltonschwankungen, Tremoli und Glissandi ausloten. Interessant, interessant, aber auf die Dauer doch eher fad, wie welke Salatblätter ohne Dressing. Und denkbar weit entfernt von dem programmatischen Bezugspunkt: Gut, Bach hat auch seinen Orgelpunkt, also einen über mehrere Takte erklingenden Grundton, und die Barockmusik kennt das Register der Schwebung – das leicht daneben gestimmt eine Schwankung der akustischen Wellen verursacht. Aber keins von beiden ist dort je Selbstzweck, sondern stets Element eines Zusammenhangs. Ihn durch intelligente Programmgestaltung zu schaffen, die Konfrontation mit dem Big Mäc zu suchen, die von den Kompositionen verweigert wird, das wäre dem Label Bach-Wochen gerecht geworden, das hätte Spannung verleihen können. So blieb’s ein souverän musizierter, seltsam falber Abend: Keine Werbung für die neue Musik. bes