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Archiv-Artikel

Nachwuchs stört CDU-Ferienruhe

„Dummer-Jungen-Streich“ oder „schwerer Fehler“? CDU eiert wegen Fehltritt der Jungen Union Brühl herum. Der CDU-Nachwuchs hatte rechtsextremistische „Bürgerbewegung pro Köln“ eingeladen

VON PASCAL BEUCKER

Sein Sprecher Norbert Neß versucht die Angelegenheit als „Dumme-Jungen-Geschichte“ abzutun. Jürgen Rüttgers hingegen fehlen immer noch die Worte. Betreten schweigt der CDU-Landeschef, wenn er auf den peinlichen Vorfall angesprochen wird. Michael Thomas Breuer, der Vorsitzende des CDU-Bezirksverbandes Mittelrhein, spricht sichtlich verärgert von einem „schwerer Fehler“. Es ist aber auch wirklich zu blöd: Da bemühen sich die nordrhein-westfälischen Christdemokraten so sorgfältig darum, vor der Landtagswahl im Mai nur keine negativen Schlagzeilen zu produzieren – und dann kommt ihnen ihr missratener Parteinachwuchs so dusselig in die Quere.

Ulrich Nagel heißt der junge Mann, der Rüttgers & Co. die frohe Osterstimmung verhagelt hat. Gerade 18 Jahre ist er alt und Vorsitzender der Jungen Union (JU) im kleinen Phantasialand-Städtchen Brühl. Und in dieser Funktion hat er etwas getan, was seiner Partei nun nicht nur in seinem Heimatort eine schlechte Presse beschert hat: Per E-Mail lud Nagel ausgerechnet eine vom Verfassungsschutz beobachtete rechtsextremistische Vereinigung zum Tete-a-Tete ein – die selbsternannte „Bürgerbewegung pro Köln“. „Uns geht es hauptsächlich um ein Kennenlernen Ihrer Partei, Ihres Programms und Ihrer Ziele“, schrieb Nagel an die Gruppierung, die seit der vergangenen Kommunalwahl in Fraktionsstärke ihr Unwesen im Kölner Stadtrat treibt und der der Verfassungsschutz bescheinigt, auch mit Neonazis zusammenzuarbeiten. Und die so höflich Eingeladenen ließen sich nicht zweimal bitten. Mit der Fraktionsvorsitzenden Judith Wolter, mit Manfred Rouhs und Regina Wilden statteten Mitte März drei der vier Ratsmitglieder von „Pro Köln“, der JU ihren Besuch ab.

Rund zwei Stunden lang dauerte der Plausch bei Bier und Mineralwasser in der Jugendstilvilla der Brühler CDU. Die Veranstaltung bedeute „einen ersten, wichtigen Schritt in Richtung auf die Normalisierung des Verhältnisses der CDU zu unserer Bürgerbewegung“, jubilierte danach Wolter. Das Treffen sei „in weiten Teilen eine harmonische, konsensorientierte Sache“ gewesen, erinnert sich Rouhs gegenüber der taz. Auf der Internetseite von „pro Köln“ heißt es dazu: „Im Mittelpunkt stand dabei die Zuwanderungs-Politik der rot-grünen Bundesregierung, die einmütig verurteilt wurde, sowie das Problem der Herausbildung einer islamischen Parallelgesellschaft in Deutschland.“ Vereinzelte kritische Töne habe es erst gegeben, nachdem der Geschäftsführer der Brühler CDU, Thorsten Gerharz, nach gut einer halben Stunde zu dem illustren Kreis gestoßen sei und gegen „pro Köln“ Position bezogen habe. Aber insgesamt habe man sich doch gut verstanden. JU-Chef Nagel habe sogar in seinem Schlusswort „ausdrücklich betont, dass er sich mit vielen unserer Inhalte identifizieren kann“, so Rouhs.

Davon allerdings will Nagel, dessen älterer Bruder Manuel stellvertretender Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes in Brühl ist, nichts wissen. Er habe „auf keinen Fall“ den Positionen von „Pro Köln“ zugestimmt. „Das kann ich garantieren“, sagte Nagel zur taz. Zwar sei es sicherlich nicht falsch, die Brühler JU als „sehr konservativ“ zu bezeichnen, „aber definitiv nicht im Sinne von Herrn Rouhs“. So sei denn auch die Diskussion „sehr, sehr turbulent“ verlaufen und er habe mehrfach eingreifen müssen, „damit das nicht eskaliert“. Insbesondere die Behandlung ausländischer Mitbürger durch „Pro Köln“ sei „auf den entschiedenen Widerstand aller Teilnehmer“ gestoßen. Ganz deutlich seien denn auch die anwesenden „Pro Köln“-Funktionäre auf die von ihnen verbreiteten „eindeutig ausländerfeindlichen Formulierungen, die eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz rechtfertigen, aufmerksam gemacht“ worden. Außerdem versichere er, dass er die Damen und Herren „nie wieder einladen“ werde: „Der Eindruck, den sie hinterlassen haben, war doch sehr abschreckend.“ Gegen ihn erhobene Rücktrittsforderungen bezeichnete Nagel indes als „lächerlich“: Die örtliche JU stünde schließlich weiter geschlossen hinter ihm.

Den nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten hat der CDU-Provinznachwuchspolitiker jedenfalls eine passable Steilvorlage geliefert: „Es zeigt sich wieder einmal in erschreckender Weise, dass die Union enorme Schwierigkeiten hat, sich von Rechtsextremen eindeutig abzugrenzen“, wetterte SPD-Landesgeneralsekretär Mike Groschek. Dass Rüttgers bis heute „zur Einladung der Jungen Union Brühl an Neonazis kein Wort verliert“, sei ein „politischer Skandal“.