: Baustelle Oberstufe
Hamburgs CDU will Wahlfreiheit im Kurssystem einschränken. Vorbild ist verschultes Abitur in Baden-Württemberg. Streit um Expertenanhörung im Schulausschuss
Hamburgs Gymnasien haben ein Problem. Ein Großteil der 86 Oberstufen ist zu klein, um ein breites Kursangebot mit attraktiven Leistungskursen zu bieten. GAL-Fraktionschefin und Schulexpertin Christa Goetsch schlägt deswegen vor, die Kurse in 50 „Oberstufenzentren“ zu bündeln. Dies allerdings würde erheblichen Widerstand auslösen.
Die CDU will dieses Problem nun anders lösen und proklamiert eine Einschränkung der Wahlfreiheit – mit der Begründung, dies würde die Studierfähigkeit verbessern. Nach dem Vorbild Baden-Württembergs soll das Kurssystem eingeschränkt und stattdessen wieder eine „breitere Allgemeinbildung“ bis zum Abitur vorgeschrieben werden.
Ein entsprechender Antrag, der Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) auffordert, für das Schuljahr 2006/07 ein Konzept vorzulegen, war gestern Abend Thema einer Expertenanhörung im Schulausschuss, bei der ein Vertreter des baden-württembergischen Kultusministeriums das dortige Modell erläuterte.
Die Sache ist umstritten. GAL-Bildungsexperte Edgar Mebus etwa hält die Reformierte Oberstufe für „die einzige Reform, die nach dem Krieg gelungen ist“. Mebus, früher Schulleiter des Kaifu-Gymnasiums, sieht die Krise der Hamburger Gymnasien als Folge von Sparmaßnahmen. Weil der Oberstufe seit 1992 fast ein Fünftel ihrer Lehrerstunden genommen wurde, sind heute 100 Schüler pro Jahrgang nötig, um ausreichend viele Kurse anzubieten.
Der Vorwurf der mangelnden Studierfähigkeit sei durch keine Studie belegt, sagt Mebus. Im Gegenteil: In den 60er Jahren habe es – vor der Reform an den Hochschulen –ständig Klagen über die mangelnde Selbstständigkeit der Studierenden gegeben. Wenn es nun Schülern nicht mehr möglich sei, etwa einen Leistungskurs Physik zu belegen, würde sich die Studierfähigkeit „eher verschlechtern“.
So ganz genau weiß die CDU allerdings noch nicht, was sie will. „Wir wollen das Modell Baden-Württembergs nicht eins zu eins umsetzten“, sagt der schulpolitische Sprecher Robert Heinemann. Im Ländle müssen Abiturienten die traditionellen Hauptfächer Deutsch, Mathe und Englisch auch als Prüfungsfach nehmen und haben darüber hinaus zwei Naturwissenschaften, ein musisches Fach sowie Sport und Geschichte zu belegen. Ein Modell, das für eine individuelle Schwerpunktsetzung des Schülers kaum Raum lässt. Heinemann findet deshalb die an der Max-Brauer-Gesamtschule eingeführte Profiloberstufe „interessant“, die den Schülern Fächerkombinationen vorgibt.
Die gestrige Sitzung dauerte bei Redaktionsschluss noch an. Heute Abend will sich der Schulausschuss mit dem „Schulzwang“ und dem Schulschwimmen befassen. Kaija Kutter
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