: Im Verbund profitieren
Interview: Eva Weikert
taz: Vor einem halben Jahr hatten Behördenpläne, die Geisteswissenschaften zu halbieren, Schlagzeilen gemacht. Wird die Uni ihr breites Fächerspektrum weiter im Angebot haben?
Jürgen Lüthje: Der Hochschulrat hat betont, dass er die Geistes- und Kulturwissenschaften für ein Profilmerkmal dieser Universität hält und dieses nicht aufgeben will. Die Beratungen über den Struktur- und Entwicklungsplan sind jetzt in einer Phase, in der sich der Rat die Vorstellungen aller Fakultäten in einer Anhörung hat erläutern lassen. Diese Vorstellungen werden wir in einer gemeinsamen Sitzung Anfang April auswerten mit dem Ziel, die abschließende Fassung des Struktur- und Entwicklungsplans Ende des Sommersemesters zu verabschieden.
Werden Fächer geschlossen?
Es werden Studiengänge geschlossen werden müssen. Das betrifft zum Beispiel die Ägyptologie und die Mesoamerikanistik. Diese Fächer stehen aktuell zur Debatte. Es wird auch Fälle geben, in denen die Kapazitäten deutlich reduziert werden müssen. Das ist etwa in der Theologie der Fall, allerdings nicht unter Aufgabe der Ausbildung zum Pfarramt. Wir werden jedes einzelne Fach sorgfältig prüfen.
Natürlich wird auch die Umstellung auf das Bachelor-Master-System die Studienstruktur verändern. So wird zum Beispiel für die getrennten Studiengänge in den südostasiatischen Sprachen künftig ein Studiengang „Südostasiatische Sprachen und Kulturen“ angeboten. Statistisch ist das eine Zusammenführung von drei Studiengängen. Das bedeutet aber nicht, dass die Disziplinen Thaistik, Vietnamistik und austronesische Sprachen nicht mehr in gleicher Intensität studiert werden können.
Der Senator findet, was in Kiel angeboten wird, muss Hamburg nicht lehren und verlangt Fächeraufteilungen.
Wir werden in vielen Fachrichtungen enger als früher mit Kiel kooperieren, aber keine Fächer völlig aufgeben. In drei Fachrichtungen haben wir die Schwerpunkte schon aufeinander abgestimmt. In der Archäologie wird in Hamburg der Schwerpunkt bei der klassischen Archäologie liegen, in Kiel bei der Vor- und Frühgeschichte. Bei der Skandinavistik wird der Schwerpunkt in Kiel, bei der Slawistik in Hamburg liegen. Die Nicht-Schwerpunkt-Fächer bleiben mit einer Brückenkopfprofessur als Grundlage für Kooperationsmöglichkeiten erhalten.
Studenten aus Kiel dürfen an der Uni Hamburg Scheine machen und andersherum. Kiel plant bisher noch keine Studiengebühren. Wie soll da die Kooperation funktionieren?
Soweit es sich um eine begrenzte Zahl von Studierenden handelt, würden wir da wahrscheinlich keine speziellen Kosten erheben. Über diese Frage denken wir aber noch nicht konkret nach.
Ganz konkret sind jetzt die Fakultäten, zu denen die Fachbereiche zum 1. April gebündelt werden sollten. Wem bringt die neue Struktur Vorteile?
Die Koordination von 18 Fachbereichen war ein außerordentlich komplizierter Vorgang. Die Bündelung soll dazu führen, dass Fächer aus enger zusammenhängenden Fächergruppen sich untereinander selbst koordinieren und kooperieren.
Wie geht das bei so unterschiedlichen Fächern wie Sport, Pädagogik und Psychologie?
Es ist doch nahe liegend, dass zwischen bildungs- und bewegungswissenschaftlichen Angeboten viele Beziehungen möglich sind, wenn man sich nur die Sportlehrerausbildung vorstellt. Es liegt ebenso auf der Hand, dass für ein bildungswissenschaftliches Studium psychologische Qualifikationen ganz entscheidend sind. Und umgekehrt, wenn Sie sich die Bewegungswissenschaften vor Augen halten, spielen da auch Fragen der Motivation eine zentrale Rolle. So profitieren diese drei Fächer im Verbund miteinander.
Es gibt Befürchtungen, dass die Ausbildung durch die Bündelung oberflächlicher wird.
Gerade das wird sie nicht. Wir werden den fachlichen Kern auch der Bachelorstudiengänge ganz entschieden in den Vordergrund stellen. Aber darüber hinaus gibt es eine Vielzahl zusätzlicher gemeinsamer Qualifikationselemente.
Das Fakultätengesetz stärkt die Dekanate. Im Gegenzug wird die Uni-Leitung zum „Frühstückspräsidium“, meinte kürzlich Politikprofessor Michael Greven. Wie sehen Sie selbst Ihre neue Rolle?
Die Professionalisierung der Leitungstätigkeit in den Fakultäten ist notwendig und wird von mir begrüßt. Auch die Entscheidungszuständigkeiten an die unmittelbar Betroffenen heranzuführen, ist richtig. Aber wenn man dezentralisiert, ist es wichtig, dass die strategische Gesamtsteuerung wirksam wahrgenommen werden kann. Und an dieser Stelle ist mir der gegenwärtig der Bürgerschaft vorliegende Gesetzentwurf zu halbherzig. Da steht zum Beispiel drin, dass die Fakultäten die Aufgaben der Hochschule wahrnehmen. Für die Hochschulleitung und den Akademischen Senat wird lediglich gesagt, dass sie die fakultätsübergreifenden Aufgaben wahrnehmen. Diese Formulierungen ermöglichen keine klare Kompetenzabgrenzung. Hier muss sichergestellt werden, dass die Hochschulleitung wirksam fakultätsübergreifende Entwicklungen gestalten kann und auch Verlagerungen von Personal und Ressourcen nicht ausgeschlossen sind.