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Theater auch für Vorleser

Max Eipp spielt Hans Christian Andersen zum 200. Geburtstag des Märchendichters

„Ich war einmal“, beginnt der Herr im dunklen Gehrock statt: „Es war einmal“. „Bei mir ist eben alles anders. Ich bin Hans Christian Andersen!“ Max Eipp ist ins Kostüm des berühmten Dänen geschlüpft. Genau am 200. Geburtstag des Märchendichters zeigt er zum ersten Mal seine Schneekönigin auf dem HoheLuftschiff.

Der Schauspieler wird zur Märchenfigur, erzählt die Geschichte und sich selbst: die Reproduktion eines Mythos im Moment seiner Betrachtung. Kinder-ins-Theater-Bringer dürfen die Altersbegrenzung ab 6 Jahre ruhig ernst nehmen. Am Anfang des Geschehens gruselt‘s. Aus Stockfinsternis schält sich eine bleiche Fratze, erzählt, wie durch Teufeleien der böse Blick auf die Welt kam. Und auch weiterhin wird in Marc Lowitz Inszenierung an dunklen Seiten nicht gespart.

Um so heiterer stimmen Sonnenschein, Blumenwiesen und Vogelgezwitscher. Eipp entfaltet mit ausgetüftelter, aber unaufdringlicher technischer Raffinesse in Lena Bjerregaards wunderbarem Requisitorium aus Kisten und Köfferchen eine so hochgradig liebevolle, poetische Phantasiewelt, dass einem schon mal der Atem stockt.

Es heißt, Andersen habe seine Märchen auch für die Vorleser geschrieben. Das geht hier voll auf. Was den Kindern als fesselnde, phantastische Abenteuergeschichte von Kay und Gerda erscheint – unterstützt durch die stimmungsvolle Musik von Gerd Kappelhoff –, funkt bei den Erwachsenen als doppelsinnige Reise durch die Irrungen und Wirrungen der Pubertät.

Der Verlust der Umgebung und Rollen, das schmerzhafte Suchen, das Glück des Findens und das Heimkehren als jemand anderes. „Und wenn die Märchen nicht gestorben sind, dann lebe ich noch heute“, ein schönes Ende. Oliver Törner

Aufführungen bis 10.4. täglich, 10 bzw. 16 Uhr. HoheLuftschiff, Kaifu-Ufer 27.

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