: Natur pur 30 Minuten vom Alex entfernt
Kennen Sie Berlin? (Teil 7) Der Weg durchs ruhige Wasser ist das Ziel: auf Paddeltour bei Erkner
■ Alteingesessene und Altzugezogene werden abwinken – aber selbst ihnen bietet der neue Berlin-Reiseführer des Trescher Verlags noch unerwartete Einblicke. Insgesamt 15 taz-AutorInnen erzählen in dem Band die Geschichte von Orten, die unspektakulär daherkommen, aber auf eine ganz besondere Weise das Wesen der Metropole verkörpern. Seit 27. Dezember und auch in den kommenden Ausgaben präsentieren wir eine Auswahl.
■ S. Klimann, R. Knoller, C. Nowak: „Berlin“. Trescher Verlag 2011, 471 Seiten, 400 Fotos, 17 Detailkarten, 16,95 Euro Erhältlich ist der Reiseführer auch im taz-Shop: shop.taz.de oder – ganz real – in der Rudi-Dutschke-Str. 23, 10969 Berlin
Leise, fast lautlos gleitet mein Einer-Canadier durch das ruhige, sumpfig-trübe Wasser. Am Ufer flattern die Blätter von Erlen und Weidenbüschen im leichten Wind – es ist fast still in diesem Tunnel aus Grün. Plötzlich kracht es im Gebüsch: Ein Kormoran hebt ab, und gleich darauf flattert ein bunter Eisvogel über das Wasser, wo eben noch zwei Libellen tanzten. Naturidylle pur, keine Stunde vom Berliner Stadtzentrum entfernt.
Der Gosener Graben, auf dem ich paddele, liegt in einem Naturschutzgebiet am östlichen Stadtrand. Er verbindet den Dämeritzsee bei Erkner mit dem Seddinsee bei Schmöckwitz. Der Graben ist für Motorboote gesperrt, die einen breiten, parallel verlaufenden Kanal nutzen. Wer auf dem Graben paddelt, bekommt eine Ahnung, was der Spruch „Der Weg ist das Ziel“ bedeuten kann. Es ist wunderbar.
Aber wie kommt man in diese Idylle? Schneller als gedacht. Ausgangspunkt ist die Bootsverleihstation „Kanusport Erkner“, die fünf Fußminuten vom Regional- und S-Bahnhof Erkner entfernt am Dämeritzsee liegt. Dort gibt es leicht laufende Boote bekannter Markenhersteller; vom schnellen Einer-Kajak bis zum gemütlichen Familien-Canadier ist alles dabei. Dazu bekommt man leichte Standardpaddel aus Aluminium, Schwimmwesten und sonstiges Zubehör. Geübte Paddler haben den Dämeritzsee in einer Viertelstunde Richtung Süden überquert, und schon sind sie auf dem Gosener Graben; Landkarten zur Orientierung gibt es gegen Pfand beim Kanuverleih.
Zum See mit der Bahn
Die Fahrt vom Alexanderplatz nach Erkner dauert mit der Regionalbahn 25 Minuten, mit der S-Bahn Alex 40 Minuten. Diese hervorragende Verkehrsanbindung macht Erkner auch für Menschen interessant, die vielleicht mal einen halben Tag Erholung brauchen. Überhaupt gibt es in und um die Stadt viele schöne und auch per Bahn gut erreichbare Seen und Wälder, die einen Tages- oder Halbtagesausflug überaus lohnen: zum Beispiel den Wannsee, den Rangsdorfer See, den Müggelsee, den Straussee, den Wandlitzer oder Tegeler See.
Von Erkner aus kann man mehrere Touren machen: durch den Gosener Graben zu Badestellen am Seddiner See, die Spree flussaufwärts zu einem Ausflugslokal, das kleine Flüsschen Löcknitz hinauf oder auch Richtung Rüdersdorf, wo es einen Museumspark im ehemaligen Kalkbergwerk gibt.
Einen kleinen Nachteil aber hat das stadtnahe Paddelvergnügen: Hin und wieder dröhnen Flugzeuge über die Gegend um Erkner, die auf dem Flughafen Schönefeld starten oder landen.
Damit die Paddeltour auch für Anfänger ein Erfolg wird, ein paar Basisinfos über Kanus: Kajaks werden mit dem Doppelpaddel bewegt; sie haben meistens ein Steuerruder, das mit den Füßen bedient wird. Das Steuer ist auf kurvigen Strecken oder windigen Seen ein Vorteil, weil es das Kurshalten erleichtert. Dafür sitzt man im Kajak ziemlich tief und hat mit Tropf- und Spritzwasser zu kämpfen. Canadier hingegen werden mit dem Stechpaddel bewegt; sie sind geräumiger und bieten mehr Beinfreiheit als Kajaks. Canadier werden durch Steuerschläge gelenkt; für Anfänger ist es am einfachsten, wenn der hintere Paddler sein Paddel wie eine Ruderpinne benutzt. Zu häufiges Wechseln der Paddelseite bringt übrigens überhaupt nichts: dadurch eiert das Boot nur. Richard Rother