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Archiv-Artikel

„Raus aus der Frontstellung“

WAHLKAMPF Krista Sager will per Direktmandat für die Grünen in den Bundestag. Ein Gespräch über den Erfolg des Hamburger Modells und andere Bündnis-Möglichkeiten

Krista Sager, 55

■ war von 1997 bis 2001 Zweite Bürgermeisterin und Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung in Hamburg. Zurzeit ist sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende der GAL im Bundestag

INTERVIEW MARCO CARINI

taz: Frau Sager, die Eimsbütteler SPD ist in der Frage der Unterstützung ihres umstrittenen Kandidaten Danial Ilkhanipour tief gespalten. Sie wollen mit Ihrer Direktkandidatur in Eimsbüttel aus der SPD-Krise Honig saugen – ein Stil, über den manch Sozialdemokrat die Nase rümpft.

Krista Sager: Natürlich hat meine Kandidatur etwas mit dem Kandidaten-Desaster bei der SPD in Eimsbüttel zu tun. Viele Sozialdemokraten sind überzeugt, dass es für die Entwicklung der SPD schädlich wäre, wenn der jetzige Kandidat durchkommt. Der soll deshalb nicht jaulen, wenn wir eine personelle Alternative anbieten. Wir wollen, dass rot-grüne Wähler nicht aus Frust zu Hause bleiben und gehen selbstbewusst ins Rennen.

Rechnen Sie sich ernsthaft die Chance aus, nach Christian Ströbele die zweite Grüne zu sein, die per Direktmandat in den Bundestag einzieht?

Ich glaube, die Hamburger sind sportiv genug, um zu beweisen, dass so was nicht nur die Berliner hinkriegen. Dazu kommt, dass weder die SPD noch die CDU es für nötig gehalten haben, auch nur in einem Hamburger Wahlkreis eine Frau aufzustellen. Das werden vor allem die Wählerinnen zu bewerten wissen.

Um im Wahlkampf zu punkten, haben Sie den Erhalt der Uni am Grindel zu einem ihrer Hauptthemen gemacht, während die Hamburger GAL noch über eine Teilverlagerung in die Hafencity debattiert und ihnen nun vorwirft, den parteiinternen Meinungsbildungsprozess zu torpedieren.

Ich habe mich bereits vorigen Dezember zu diesen Umzugsplänen kritisch geäußert und werde nicht im Wahlkampf plötzlich anfangen, das Thema totzuschweigen. Dass die Koalition sich noch nicht festgelegt hat, kann doch nicht bedeuten, dass Grüne nicht darüber sprechen, wie sie die seit Monaten vorliegende tendenziöse Behördenstudie zum Uni-Umzug bewerten.

Wie bewerten Sie Schwarz-Grün in Hamburg?

Die Zusammenarbeit läuft besser als erwartet. Schwarz-Grün war nie unser Lieblingsbündnis, sondern eine Zweckgemeinschaft zur Verhinderung einer großen Koalition. Wer nach Berlin oder Kiel schaut, fühlt sich bestätigt, dass das richtig war.

Welche Auswirkungen hat denn der Bruch der Kieler Koalition auf die Bundestagswahl und auch auf Hamburg?

Die Kieler Koalition ist schon lange tot. Bei dem Streit, wie die Leiche zu Grabe getragen werden soll, geht es nur darum, sich möglichst große Teile der Erbschaft zu sichern. Das ist unappetitlich und wird im Bund die Tendenz verstärken, dass es nicht zu einer Neuauflage der großen Koalition kommen darf.

Sie gelten als sehr aufgeschlossen für Bündnisse mit der CDU: Was kann Schwarz-Grün besser als Rot-Grün?

Ich bin nicht generell für solche Bündnisse, aber eine Chance ist, dass man zu neuen Konsensen findet, die auch ins bürgerliche Lager reichen und nicht mehr so leicht aufkündbar sind. Die Hamburger Schulreform ist dafür ein Beispiel: Raus aus der ideologischen Frontstellung hin zu mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem. Das hat Bedeutung über Hamburg hinaus.

Droht nicht gerade die Schulreform zwischen den Koalitionären zerrieben zu werden?

Im Gegenteil. Es gibt inzwischen innerhalb der Hamburger CDU erstaunlich viele Politiker, die für diese Reform kämpfen – da haben Lernprozesse eingesetzt.

Ist Schwarz-Grün auch im Bund 2009 eine Option, über die es sich zu diskutieren lohnt?

Aus meiner Sicht nicht. Das Hamburger Modell ist auf den Bund nicht übertragbar und weder rechnerisch noch politisch eine Option. Allein schon wegen der CSU.

Solche unions-skeptischen Töne haben wir aus grünen Reihen aber auch vor der Bürgerschaftswahl gehört – mit dem bekannten Ergebnis.

Das sehe ich anders, ich habe ja Prügel dafür bezogen, dass ich vor der Hamburg-Wahl erklärt habe: Wenn es für Rot-Grün nicht reicht, dann muss man ernsthaft die Chancen für eine schwarz-grüne Koalition sondieren. Das stellt sich im Bund aber ganz anders dar.

Welche anderen Regierungsoptionen sehen Sie denn dann für die Grünen im Bund?

Am wahrscheinlichsten ist ein Dreier-Bündnis.

Welches hätten Sie denn da gerne?

Da gibt es keine wirklich erfreuliche Konstellation.

Wie ist es mit der Ampel?

Das wäre eine extrem schwierige Verbindung. Renate Künast und Jürgen Trittin haben aber darauf hingewiesen, dass wir uns über Dreier-Bündnisse Gedanken machen müssen, wenn sie die einzige Möglichkeit sind, eine große Koalition oder Schwarz-Gelb zu verhindern.

Gilt das auch für ein Jamaika-Bündnis: also Gelb-Grün-Schwarz?

Jamaika haben wir per Parteitagsbeschluss definitiv ausgeschlossen.

Rot-Rot-Grün vielleicht?

Das hat die SPD bereits ausgeschlossen. Und die Linken haben bis heute nicht geklärt, ob sie nur Fundamentalopposition betreiben oder mitgestalten wollen.

Plädieren Sie dafür, auf die Linkspartei zuzugehen, wenn es für Rot-Rot-Grün reicht?

Für mich sind die Linken im Bundestag noch lange nicht bereit und in der Lage, linke Realpolitik unter dem Vorzeichen der Krise zu machen. Die grüne Erfahrung lehrt: Fundi-Realo-Klärungen brauchen ihre Zeit.

Das Verhältnis zwischen Rot und Grün ist zuletzt merklich abgekühlt. Ist die SPD überhaupt noch der Wunschpartner der Grünen?

In der Bildungspolitik etwa sind wir im Bund der SPD noch deutlich näher als der CDU. Auch bei der Frage des Mindestlohns oder der Atomenergie haben wir mit der SPD weit mehr Berührungspunkte. Aber in der Umweltpolitik stehen bei der SPD Taten und Worte oft gegeneinander und mit Bürgerrechten hat sie kaum was am Hut.

Es deutet vieles darauf hin, dass sowohl SPD wie Grüne einen Anti-Atom-Wahlkampf führen und wir damit erneut einen Lagerwahlkampf erleben!

Die Republik funktioniert immer noch sehr stark nach Lagern. Und die Frage ob der Ausstieg aus der Atomkraft rückgängig gemacht wird, ist für uns seit jeher ein zentrales Thema. Mit Krümmel gerät es noch mal in das öffentliche Bewusstsein, dass mit Schwarz-Gelb die ältesten und unsichersten Meiler eine längere Laufzeit bekommen sollen.

Ist der Atomausstieg ein Knackpunkt für eine Regierungsbeteiligung der Grünen?

Wir sind keine Knackpunkte-Partei mehr, aber da lege ich mich fest: Die Verlängerung der Atomkraftwerks-Laufzeiten wird es mit den Grünen nicht geben.