: „Aus der alten Militärkirche eine Friedenskirche machen“
Potsdam braucht eine Diskussion über die Vergangenheit, sagt Superintendent Bertram Althausen. Die Garnisonkirche biete die Basis dafür
taz: Herr Althausen, heute vor 60 Jahren zerstörte ein britischer Bombenangriff die Potsdamer Innenstadt. Dabei wurde auch die Garnisonkirche stark beschädigt. Warum legen Sie ausgerechnet heute den Grundstein für die neue alte Kirche?
Bertram Althausen: Gerade an dem Tag, an dem an Krieg und Zerstörung erinnert wird, äußern wir unseren Wunsch nach Frieden. Das ist der Versöhnungsgedanke, der das Wiederaufbauprojekt trägt.
Es ist provokant, an dem Tag, der in Potsdam zentral an den Zweiten Weltkrieg erinnert, mit dem Wiederaufbau einer Militärkirche zu beginnen. Unterstützt die Kirche ein reaktionäres Projekt?
Im Gegenteil. Wir wollen aus der alten Militärkirche eine Friedenskirche machen. Die alte Garnisonkirche stand ja sowohl für Preußens Glanz als auch für Preußens Elend. Dort fanden die zerstrittenen Reformierten und Lutheraner zusammen. Das ist der prädestinierte Ort für Versöhnungsarbeit.
Aber Hindenburg hat Hitler ebendort die Hand gereicht, dort wurden preußische Fahnen vor Feldzügen gesegnet. Wollen Sie das verdrängen?
Nein, eben nicht. Wir wollen uns damit auseinander setzen. Potsdam braucht eine Diskussion über die Vergangenheit und über die Symbole der Geschichte. Wir haben in der Stadt heute Preußenfans, Linke, DDR-Fans, Verunsicherte und dazwischen immer wieder Christen – es wird Zeit, dass Potsdam sich über sich selbst verständigt. Die Garnisonkirche bietet die Grundlage für einen solchen fruchtbaren Diskurs. Die evangelische Kirche will in dem Gebäude wirklich praktische Versöhnungsarbeit leisten. Das kann die Stadt nur voranbringen.
Wieso ist für Versöhnungsarbeit gerade die Garnisonkirche nötig?
Natürlich können Sie Kongresse und Festveranstaltungen auch an jedem anderen Ort abhalten. Aber es ist leichter, die Menschen einzubinden und Öffentlichkeit herzustellen, wenn solche Arbeit an einem Ort stattfindet, der förmlich nach Versöhnung schreit. Unser Vorbild ist das Internationale Nagelkreuzzentrum von Coventry: Dort fügte der Pfarrer nach der Zerstörung der Kathedrale im Zweiten Weltkrieg drei Nägel aus dem eingestürzten Dachstuhl zu einem Kreuz zusammen. Symbole, die den Menschen unter die Haut gehen, sind wichtig. Wir möchten in der Garnisonkirche solche Symbole schaffen.
Brauchen die Protestanten in Potsdam wirklich eine solche Kirche?
Für eine Kirchengemeinde brauchen wir sie nicht. Die Stadt braucht sie und ihre Besucher. Die unrechtmäßige Vernichtung der alten Kirche hat eine Art Phantomschmerz hinterlassen. Das Gefühl vieler Menschen, hier müsse eine alte Wunde geheilt werden, leuchtet mir ein. Die Initiative, das Gebäude wieder aufzubauen, kommt ursprünglich nicht aus den Gemeinden. 1993 hat die Kreissynode noch gegen den Wiederaufbau gestimmt. Inzwischen hat sich unsere Position geändert. Als die Synode am vergangenen Wochenende das neue Konzept für die Kirche beschlossen hat, gab es nur noch sechs Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. In der Kirche gibt es inzwischen also eine Mehrheit für das Projekt – aber natürlich immer noch Gegner. Das ist auch in Ordnung. Wir vertragen gegensätzliche Positionen und auch Streit.
Wie finden Sie es dann, dass das Potsdamer Ordnungsamt eine Performance von Aktionskünstlern verboten hat, die vor Ort gegen den Wiederaufbau protestieren wollten?
Ich weiß nichts Genaues über die Performance. Ich wünsche mir aber, dass die Gegner in dieser Frage mehr miteinander reden als übereinander. In Potsdam gibt es ständig Demos gegen oder für irgendetwas, aber viel zu wenig klärende Gespräche.
Freuen Sie sich auf die Gelegenheit, künftig vor der Garnisonkirche mit Rechtsradikalen ins Gespräch zu kommen?
Ironie ist da nicht angebracht. Ich war lange Jugendpfarrer, kenne die Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken, habe Versöhnung praktisch versucht. Und ich habe mich Rechten auch direkt in den Weg gestellt. Warum soll so etwas nicht auch in der Garnisonkirche gelingen?
INTERVIEW HEIKE HOLDINGHAUSEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen