FALAFEL : Die Bällchen da
Ich stehe vor dem Falafelmann, will einmal Falafel bestellen, weil es hier, kurz hinter dem Kottbusser Tor in der Adalbertstraße, die besten Falafel der Stadt gibt, aber mir fällt das Wort Falafel nicht ein. „Bitte?“, sagt der Falafelmann, aber darauf kann ich leider nur antworten: „Ich hätte gern äh …“ Dabei hatte ich erst gestern Falafel im gleichen Laden. Ich zeige auf die kleinen dunkelbraunen Bällchen, die am Rand eines Öltopfes darauf warten, in eine Brottasche gesteckt zu werden, und sage: „Die kleinen dunkelbraunen Bällchen da.“ Der Falafelmann guckt in die Richtung, in die mein Finger deutet, und fragt ungläubig: „Falafel?“ Ich nicke, dabei bin ich doch der Ungläubige. „Zum Hieressen?“ Ich nicke noch mal. Dann setze ich mich auf einen ramponierten Barhocker und beobachte das Treiben.
Hier verkehrt viel junges Volk, Touristen wahrscheinlich, aber oft sind die von Zugezogenen nicht wirklich zu unterscheiden. Inzwischen tragen ja alle Rucksack beziehungsweise Rucksäckchen. Ein junger Mann Mitte zwanzig mit Mütze, dunkler Allwetterjacke, Turnschuhen und nach unten gezogenen Jeans bestellt Falafel, während ich gerade daran denke, dass die nach unten gezogenen Jeans bei der Kälte doch bestimmt nicht gut für die Nieren sind. Ich komme mir vor wie meine Mutter.
Der Falafelmann sagt: „Drei Euro.“ Der Allwettermann: „Ist teurer geworden.“ Der Falafelmann versteht ihn nicht. Als er ihn versteht, sagt er ungläubig: „Stimmt, hat mal 2,80 gekostet. Ist aber schon ein Jahr her.“ Ich bewundere den Allwettermann. Er weiß nach einem Jahr immer noch, wie viel irgendwas gekostet hat, während ich mir noch nicht mal Falafel merken kann.
Aber wie viel der kostet, weiß ich jetzt: Falafel 3 Euro. Und ich kann jetzt, wenn mir Falafel wieder mal nicht einfallen sollte, sagen: „Die Bällchen da, früher 2,80, jetzt 3 Euro.“
KLAUS BITTERMANN