: Kreuzzug für die eigene Ordnung
Kölns Vize-Polizeipräsident Dieter Klinger soll bei einem Vortrag in Norddeutschland „Islamophobie“ geschürt haben. SPD-Abgeordnete Lale Akgün schaltet NRW-Innenminister ein. Klinger schweigt
VON PASCAL BEUCKER
Die rechtsextremistische „Bürgerbewegung Pro Köln“ jubiliert über die „überraschend klaren Worte“ des „mutigen Polizeidirektors“. Die Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün spricht von einem Skandal und fordert eine öffentliche Entschuldigung: Ein erst jetzt bekannt gewordener bizarrer Auftritt des stellvertretenden Kölner Polizeipräsidenten Dieter Klinger im ostfriesischen Emden sorgt für heftigen Wirbel.
Über „Chancen und Bedingungen für ein Miteinander der Kulturen“ hatte der als Festredner geladene Klinger auf dem Osterempfang der christlichen Kirchen in Emden sprechen sollen. Doch was er den rund 70 Zuhörern am 9. April in der Barenburger Paulus Gemeinde stattdessen laut dem Bericht einer örtlichen Zeitung bot, verschlug nicht wenigen schockiert die Sprache. Klinger referierte nicht über Chancen, sondern über Gefahren: Über den drohenden „Kampf der Kulturen“ und den drohenden Untergang des christlichen Abendlandes. Über das islamistische „Netzwerk der Selbstmordterroristen“. Über gewaltbereite Islamisten, von denen bereits 5.000 in der Bundesrepublik lebten. Über die 50.000 hier lebenden Muslime, die „latent gewaltbereit“ seien. Über die islamische „Parallelgesellschaft“, die sich immer mehr ausbreite.
Sein deprimiertes Fazit: „Was soll ein Christ einem in seinem Glauben stark verwurzelten Moslem entgegenhalten?“ Demnächst drohe sogar, dass der Islam die politische Macht übernehme: „2035 bis 2050 sind die Muslime in Deutschland zahlenmäßig in der Mehrheit und könnten durch eine einfache Wahl die Regierung stellen.“
Klinger, der der baptistischen Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Derschlag bei Gummersbach angehört, forderte, die Abwendung von der christlichen Religion aufzuhalten. So müsse das Christentum wieder mehr den „missionarischen Aspekt“ in den Vordergrund rücken. Gerade in den Schulen müssten wieder verstärkt „christliche Werte“ vermittelt werden. Außerdem: „Wir brauchen die Autorität der Lehrer, Disziplin und Ordnung.“ Insgesamt müsse das Christentum wieder „wortstark“ gemacht werden, um dem Islam entgegentreten zu können. „Zum Teil erschrocken, zum Teil empört“ und mit vereinzelten Pfiffen und Buhrufen habe das Publikum „auf die Pauschalisierungen“ reagiert, schrieb die lokale Emder Zeitung nach dem sonderbaren Auftritt von Kölns zweit höchstem Polizisten. Emdens Oberbürgermeister Alwin Brinkmann (SPD) habe sogar entsetzt vorzeitig den Saal verlassen.
„Herr Klinger schürt öffentlich Angst und Islamophobie und gefährdet damit das friedliche Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion in Deutschland“, wirft nun Lale Akgün dem Spitzenbeamten vor. In einem Schreiben, das der taz vorliegt, hat die Abgeordnete Landesinnenminister Fritz Behrens (SPD) aufgefordert, „diesen Fall schnellstmöglich politisch und dienstrechtlich aufzuklären“.
Laut Kölner Polizei hat Polizeipräsident Klaus Steffenhagen Klinger inzwischen „angewiesen, bis Anfang kommender Woche zu dem Sachverhalt Stellung zu nehmen“. Die schriftlich eingereichten Fragen der taz ließ der christliche Eiferer indes unbeantwortet: „Herr Klinger selbst hat gegenwärtig nicht die Absicht, sich in der Öffentlichkeit zu dieser Sache zu äußern“, teilte das Polizeipräsidium der taz lapidar mit.