piwik no script img

Archiv-Artikel

Verhütungsmittel Wollsocke

Endspurt: Nächsten Sonntag ist Landtagswahl. Höchste Zeit, einen Blick auf die Wahlplakate der Parteien zu werfen. Was sagen sie uns? Und was nicht?

MEINT BORIS R. ROSENKRANZ

Politische Wahlplakate müssen knapp pointiert sein, satirisch zugespitzt, außerdem sollten sie insbesondere von Autofahrern binnen weniger Sekunden entschlüsselt werden können. Eine glasklare Anti-Werbung kommt auch in diesem Wahlkampf von der PDS. In DDR-hafter Schmucklosigkeit lassen die SED-Nachfolger wissen, was sie alles sind: nämlich „maßlos“, „armselig“ und „zu blöd“. So steht es zumindest groß auf den Plakaten, die von der PDS scheinbar in großer Stückzahl produziert worden sind, so oft hingen sie bei vergangenen Wahlen schon am Straßenrand. Erst wer die Tafeln genauer inspiziert, stellt fest: Gar nicht die PDS ist gemeint, sondern die Nasen, die regieren.

Nun ja, könnte man sagen, wenigstens bietet die PDS Lösungsvorschläge für die angeprangerten Probleme. Im Gegensatz zur CDU, die natürlich auch alles schlecht findet, was die anderen so verzapfen. Naturgemäß wettert die CDU gegen Rot-Grün: zu wenig Schulunterricht, zu viele Arbeitslose. Was sie dagegen tun wollen, teilen uns die Christdemokraten auf ihren Plakaten allerdings nicht mit.

Auch die „Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit“ lässt den Betrachter ratlos zurück: Ein Plakat, mit dem die Ersatz-SPD dieses Jahr erstmalig das Land überzuckern durfte, zeigt zwei Paar Socken, schwarze und rote, die unter einer Bettdecke hervor lugen. Offenbar stecken die Strümpfe an den Füßen zweier Menschen, die gerade einen Oswald-Kolle-Film nachspielen, sich also bedenklich nahe kommen. Besonders bemerkenswert: Rot liegt unten. Wenn die Sockenfarbe eine bestimmte Parteizugehörigkeit symbolisieren soll, heißt das dann, dass Sozialdemokraten lieber passiv sind? Und tragen Mitglieder von SPD und CDU wirklich Wollsocken beim (gemeinsamen) Sex? Was bedeutet überdies die Plakat-Überschrift „Bitte verhüten“? Steht die Pharamaindustrie etwa vor einer mittelschweren Krise, weil Socken genau so gut vor Kindern schützen wie die Pille? Fragen über Fragen, liebe Wahlalternative, die sicher mal gestellt werden sollten – aber bitte nicht im Wahlkampf.

In dieser Zeit müssen die zu Wählern umfunktionierten Menschen schließlich schon genug ertragen. Müssen sich angrinsen lassen an jeder Ecke, auch wenn‘s gerade wieder regnet, der Geldautomat die Karte behalten hat und es momentan also eigentlich GAR NICHTS zu grinsen gibt. Okay, die Spielführer der Parteien scheinen zuweilen den Ernst der verhartzten Lage erkannt zu haben. Deshalb mischen sie ihrer Mimik gerne eine Prise Pessimismus bei. Steinbrück beispielsweise: Öfter als seine breite Hanseatenlache auszupacken, mimt der Ministerpräsident den ernsten Landesvater, der zwar keine Arbeitsplätze versprechen, aber „jeden Tag“ für sie arbeiten will. Soso. Sollte man das nicht eigentlich von einem Politiker erwarten können? Und Rüttgers? Schlecht sieht er aus. Der Wahlkampf scheint ihm ordentlich an die Substanz zu gehen. Nur leicht schimmert ein Lächeln in seinem mageren Antlitz. Siegesgewiss sieht der nicht aus. Staatsmännisch auch nicht.

Aber dieses Problem haben ja auch andere: Udo Voigt, der Führer, pardon, Vorsitzende der NPD zum Beispiel. Meistens baumelt er weit oben in den Bäumen. Da oben hängt Voigt sehr gut. Kann so bleiben. Und sonst? Nicht viel. Die Grünen konzentrieren sich auf ihre ökologischen Wurzeln, die FDP fällt im Straßenbild nur kaum auf. Und die Partei Bibeltreuer Christen (PBC) meint: „Deutschland braucht Jesus“. Wir meinen: Wenn am 22. Mai Jesus Ministerpräsident ist, wird er allein regieren – ohne die PBC.