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Archiv-Artikel

portrait Er hat seine letzte Chance genutzt

Es war seine letzte Chance, und Jürgen Rüttgers hat sie genutzt. Erwartungsgemäß – und doch sensationell: Der 54-jährige Rheinländer hat die SPD von der Macht an Rhein und Ruhr verdrängt. Nach 39 bitteren Jahren christdemokratischer Opposition. Auch wenn es am Ende noch einmal knapp zu werden schien, Rüttgers hat es geschafft. Doch noch.

Sein Erfolg ist auch ein Produkt seiner Lernfähigkeit. Denn bei seinem ersten Anlauf vor fünf Jahren war er bereits dem Erfolg nahe gewesen, sah sich bereits als der sichere Wahlsieger. Aber dann kam Helmut Kohls Spendenskandal und der Taktierer Rüttgers lavierte, anstatt eindeutig mit seinem politischen Ziehvater zu brechen. Stattdessen verfiel er auf die Idee, mit dem Slogan „Kinder statt Inder“ gegen die Green-Card-Aktion der Bundesregierung zur Anwerbung von Computerspezialisten aus dem Ausland zu polemisieren. Rüttgers erlebte einen Medien-GAU – und dann das Desaster an der Wahlurne. Das sollte ihm auf keinen Fall wieder passieren – und so gab sich Rüttgers diesmal alle Mühe, bloß nichts von sich zu geben, womit er irgendwie hätte anecken können. Dass er so blasser wirken musste als sein wesentlich beliebterer Konkurrent Peer Steinbrück, nahm er billigend in Kauf. Der Erfolg gibt ihm nun Recht.

Statt politischer Konzepte boten die CDU-Wahlkampfstrategien lieber den Menschen Rüttgers an. So vergaß er in keiner Rede seine Frau Angelika und seine drei Söhne Marcus, Lucas und Thomas zu erwähnen. Inzwischen weiß die Öffentlichkeit zudem, dass Rüttgers während des Urlaubs gern an seinem Ferienhaus in Frankreich herumbastelt und Plastikuhren sammelt.

Der promovierte Jurist, der immer etwas wirkt wie ein Versicherungsvertreter, steht im Ruf, ein ausgezeichneter Analytiker zu sein. Als Volkstribun taugt der gläubige Katholik hingegen wenig. So glänzen seine Reden denn auch nicht gerade durch ein rhetorisches Feuerwerk.

Der Union gehört der am 26. Juni 1951 in Köln geborene Politiker seit seiner Studentenzeit an. 1987 zog er in den Bundestag ein. 1994 holte ihn Kohl dann als Minister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie in die Bundesregierung. Die FAZ bescheinigte dem jungen Aufsteiger seinerzeit, er sei „eine der wenigen politischen Begabungen, über welche die CDU verfügt“. Jetzt ist er am Ziel. PASCAL BEUCKER